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Kraftwerk geht in Altersteilzeit

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Herbst 2015 hatte sich die große Koalition mit den großen Energieversorgern auf einen Kohle-Kompromiss geeinigt. Um den deutschen CO2-Ausstoß zu reduzieren, sollten Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 2,7 Gigawatt vom Netz gehen. Die Bundesregierung verspricht sich davon eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um elf Millionen Tonnen. Schon damals hagelte es Kritik an der Entscheidung, die deutlich von den Interessen der Kohleindustrie bestimmt war. Umweltverbände erinnerten etwa an das Versprechen von Angela Merkel beim G7-Gipfel in Bayern, komplett aus der Kohle auszusteigen.

Die Überführung von insgesamt 2,7 Gigawatt an Kraftwerksleistung in die Sicherheitsbereitschaft reicht nach Auffassung des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) nicht ansatzweise aus, um die Klimaschutzziele zu erfüllen. »Will Deutschland sein 40-Prozent-CO2-Minderungsziel erreichen, müssen deutschlandweit 20 weitere Kohleblöcke bis 2020 vom Netz gehen.« Vor einem Jahr wurde als erstes das Kraftwerk Buschhaus im Helmstedter Revier in die Sicherheitsreserve gestellt. Seitdem arbeiten nur noch wenige Menschen in dem alten Kraftwerk. Fünf Mitarbeiter sind dort pro Schicht tätig und sorgen dafür, dass das Kraftwerk jederzeit wieder hochgefahren werden kann. Seit der Abschaltung wurde dies allerdings noch nie nötig.

Mit dem Kraftwerk Frimmersdorf ist jetzt eines der ältesten Kraftwerke im Rheinland vom Netz gegangen. Frimmersdorf - 1955 ans Netz gegangen - war Anfang der 1970er Jahre sogar das größte Braunkohlekraftwerk der Welt. Bis zu 16 Blöcke sorgten gleichzeitig für die Stromproduktion. Zuletzt wurde nur noch in zwei 300 Megawatt-Blöcken Strom produziert. Die alten, ineffektiven Kraftwerksblöcke wären von RWE wahrscheinlich auch ohne den Kohle-Kompromiss abgeschaltet worden.

Der BUND NRW ist der Meinung, dass Frimmersdorf nur noch mit Mühe seine Betriebskosten durch die Stromproduktion decken konnte. Der Umweltverband kritisiert die Abschaltung als »Tropfen auf dem heißen Stein«, Frimmersdorf stoße 4,3 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus, das seien »weniger als fünf Prozent der RWE-Kraftwerks-Emissionen im Rheinischen Revier«. Vom WWF heißt es: »Mit Frimmersdorf geht eins der Uraltkraftwerke Deutschlands in die Reserve. Das wurde höchste Zeit, ist aber längst nicht genug. Von einem geordneten Kohleausstieg sind wir noch immer weit entfernt.« Was allerdings auch die Umweltverbände einräumen müssen, mit der faktischen Stilllegung von Frimmersdorf werden in Zukunft nicht mehr 100 Kilogramm Quecksilber und 80 000 Kilogramm gesundheitsschädlichen Feinstaubs ausgestoßen.

Teuer ist die Abschaltung der alten Kraftwerke vor allem für die Stromkunden. Im Kohle-Kompromiss hatte sich die Bundesregierung mit den Energiekonzernen darauf geeinigt, die Sicherheitsbereitschaft mit rund 1,6 Milliarden Euro zu finanzieren. Heruntergerechnet auf das Kraftwerk Frimmersdorf wird RWE etwa 360 Millionen Euro bekommen. Um dies zu finanzieren, hatte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel vor zwei Jahren angekündigt, die Netzentgelte um etwa 0,05 Cent pro Kilowattstunde zu erhöhen. »Dass der Stromkunde dieses goldene Ende mit bis zu 360 Millionen Euro vergütet, bleibt ein Skandal«, resümiert denn auch Dirk Jansen vom BUND.

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