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Geschwärzt und gelöscht
LINKE: Polizei sabotiert parlamentarische Aufklärung zu G20 / Landeskriminalämter löschen Datensätze
«Ich bin Antifaschist und Kommunist.» Mit diesen Worten stellte sich der gebürtige Italiener Emiliano P. am Mittwoch dem Prozess vor dem Amtsgericht Hamburg. Verhandelt wurde einer von zwei Fällen um mutmaßliche GewalttäterInnen bei den Protesten rund um das G20-Treffen Anfang Juli. Für Erheiterung sorgte unter den ZuschauerInnen derweil die Verkleidung eines geladenen Zeugen. Ein Polizist, der unerkannt bleiben wollte, erschien mit künstlichen Koteletten, Vokuhila-Frisur und Brille zur Verhandlung, wie eine Prozessbeobachterin via Twitter schrieb. Ein Urteil lag bis Redaktionsschluss nicht vor.
Viel zu lachen hatte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion in Hamburg, Christiane Schneider, indes nicht. Sie hatte im Rahmen des G20-Sonderausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft Akteneinsicht zum Polizeieinsatz rund um das zweite Juli-Wochenende gefordert. Sie erhielt nach eigenen Angaben Aktenordner mit «exzessiven Schwärzungen». «Außer für Telefonnummern und Namen, die dem Datenschutz unterliegen, erkenne ich für die Schwärzungen keinen Grund - nur das Bestreben der Polizeiführung, jede parlamentarische Aufklärung zu sabotieren», so Schneider. Als Beispiel führte sie zwei Ordner an, in denen 73 von 88 beziehungsweise 60 von 87 Seiten entfernt worden seien.
Zwar räumte Polizeisprecher Ulf Wundrack am Mittwoch ein, dass «unter massivem Zeitdruck» vermutlich mehr Stellen als nötig geschwärzt worden seien«, bemühte sich aber gleichzeitig um Beschwichtigung. »Wir sind natürlich daran interessiert, das so transparent wie möglich zu machen. Wir wollen keineswegs etwas vertuschen«.
Innensenator Andy Grote (SPD) hatte im Ausschuss zuletzt zugesichert, noch einmal prüfen zu lassen, ob die geschwärzten Akten nicht doch veröffentlicht werden könnten. Dass überhaupt Unterlagen unleserlich gemacht oder aus den Akten entnommen worden seien, begründete Grote mit der Vorsicht einzelner Beamter. Diese hätten sich im Zweifel für die Sicherheitsbelange der Behörden entschieden.
Dafür geht die Verschleierungstaktik deutscher Polizeibehörden an anderer Stelle weiter: Wie die ARD berichtet, sollen die Landeskriminalämter Berlin und Mecklenburg-Vorpommern rechtswidrige Datensätze zum Vorfall der rückwirkend entzogenen Presseakkreditierungen beim G20-Gipfeln gelöscht haben. Viele der betroffenen 32 JournalistInnen hatten nach dem Entzug ihrer Akkreditierung Auskunft über gespeicherte Daten beim Bundeskriminalamt und jeweils zuständigen Landeskriminalamt eingeholt. Neun von ihnen haben wegen des Entzugs der Akkreditierung Klage gegen das Bundespresseamt eingereicht und bei der Bundesdatenschutzbeauftragten Beschwerde eingelegt. Auch zwei JournalistInnen von »neues deutschland« waren betroffen. Der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte der ARD: »Wenn Daten gelöscht werden, um zu verhindern, dass die Rechtmäßigkeit ihrer Speicherung überprüft wird, handelt es sich um die Unterdrückung von Beweismitteln.«
Der Deutsche Journalisten-Verband forderte zuletzt die Rehabilitierung jener JournalistInnen, denen aufgrund falscher Datensätze die Akkreditierung entzogen wurde.
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