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Verschnupfte Investoren
Der Streit um eine Unabhängigkeit Kataloniens lässt auch die Wirtschaft nicht kalt
Großunternehmen und Banken in Katalonien holen alte Pläne aus den Schubladen, lassen sie entstauben und von Anwälten auf den neuesten Stand bringen. Es geht um Planungen, den Firmensitz von Barcelona und aus anderen katalanischen Städten nach Madrid oder in eine andere spanische Region zu verlegen. Solche Pläne waren schon 2013 für den Fall erstellt worden, dass das für 2014 angesetzte Unabhängigkeitsreferendum greifen würde.
Die Großbanken Caixabank und Banco Sabadell mit Sitz in Barcelona und im benachbarten Sabadell haben seit dem Unabhängigkeitsreferendum am vergangenen Sonntag rund zehn Prozent an Börsenwert verloren. Das entspricht einem Wertverlust von 2,3 Milliarden Euro für die Caixabank und 1,3 Milliarden Euro für Banco Sabadell. Unter den Kunden herrsche Verunsicherung, teilte das letztgenannte Kreditinstitut mit. Das Anlageportal iBroker hat bereits seine Einlagen bei Banco Sabadell vorübergehend abgezogen. Spaniens Wirtschaftsminister Luis de Guindos versicherte hingegen, dass »die Kunden der katalanischen Banken nichts zu fürchten« hätten. Er verwies auf die europäischen Einlagegarantien.
Der Aufsichtsrat der Bank befasste sich am Donnerstagabend mit der möglichen Verlagerung des Firmensitzes nach Madrid. Caixabank will seinen Sitz laut Zeitungsmeldungen auf die Balearen verlegen. An der Börse käme ein Umzug offenbar gut an: Der Aktienkurs von Sabadell stieg nach Bekanntwerden des Umzugsplans an der Madrider Börse sprunghaft um gut fünf Prozent. Das Pharmaunternehmen Oryzon hat diesen Schritt am Mittwoch bereits vollzogen. Daraufhin stieg der Kurs um fast 13 Prozent. Ebenfalls den Firmensitz aus Katalonien verlegen wollen das Telekom-Unternehmen Eurona und der Großverlag Planeta, falls die Republik Katalonien wirklich ausgerufen wird. Naturhouse, der Sanitärhersteller Grifols und Suez, Eigentümerin der Wasserversorgung von Barcelona, haben ihren Firmensitz schon vor einiger Zeit nach Madrid verlegt.
Der Madrider Börsenindex hat seit dem Referendum zwar nicht dramatisch, aber doch deutlich um fast drei Prozent an Kurswert verloren. Trotz der politischen Krise und der damit verbundenen Unsicherheit unter Investoren und in der Wirtschaft brachte die Zentralbank Banco de España am Donnerstag neue Staatsanleihen mit einem Volumen von 3,7 bis 5,2 Milliarden Euro auf den Markt. Dabei stieg aber der Zins für zehnjährige Anleihen auf 1,8 Prozent. Am vergangenen Freitag waren es noch 1,6 Prozent. Für den spanischen Staat wird es durch die unsichere Lage also teurer, neue Kredite aufzunehmen.
Derweil hat die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) Katalonien mit einer schlechteren Einschätzung der Kreditwürdigkeit gedroht. Die spanische Region wurde zwar nicht herabgestuft, aber mit einem negativen Ausblick versehen. Wie aus einer Analyse vom Mittwochabend hervorgeht, bestehe die Gefahr einer weiteren Eskalation zwischen der Zen- tralregierung in Madrid und dem katalanischen Regionalkabinett. Laut S&P könnte die Region dann in Schwierigkeiten kommen, sich kurzfristig selbst zu finanzieren. Eine Entscheidung über die Kreditbewertung soll in den nächsten drei Monaten fallen.
Der seit Monaten laufende politische Streit um eine mögliche Unabhängigkeit macht sich in der Wirtschaft bereits bemerkbar. So war der Umsatz im Tourismussektor im Vergleich zu den Vorjahren leicht geringer. Die Direktinvestitionen aus dem Ausland gingen im zweiten Quartal sogar um zehn Prozent zurück, während der Rest Spaniens ein Plus von 13 Prozent verzeichnete.
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