Mit Schaum vor den Mündern

Das Rosneft-Theater um Altkanzler Schröder hat die Machtinteressen hinter dem Geschäft verdeckt, findet Jörg Kronauer

  • Jörg Kronauer
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Schaum vor den Mündern hat sich ein wenig gelegt. Gerhard Schröder wird Aufsichtsratschef beim russischen Erdölriesen Rosneft. Hoch gingen die Wogen, als das Vorhaben des Ex-Kanzlers Mitte August an die Öffentlichkeit drang, und ein zweites Mal gab’s Krawall, als Schröder Ende September tatsächlich den Posten erhielt. »Vom Russlandversteher zum Russlandvertreter«, »Altkanzler kassiert Putins blutiges Geld«, »Bezahlter Diener der Politik Putins«: So lauteten die Überschriften in der Presse. Wie üblich beim Thema Russland: Wer am ätzendsten wettern konnte, hatte gewonnen. Für Fragen, worum es eigentlich ging, blieb - und auch das ist inzwischen üblich, wenn es um Russland geht - kein Raum; Bekenntnis war angesagt. Und nun, gerade einmal eine Woche später, ist das Thema vom Tisch.

Dabei hätte Schröders neuer Job eigentlich die Aufmerksamkeit auf zwei strategisch wichtige Aspekte lenken können. Der eine: Berlin und Moskau schicken sich an, ihre Kooperation, die auf dem Erdgassektor seit Jahren immer enger wird, auch beim Erdöl zu intensivieren und damit zu einer umfassenden Energiepartnerschaft überzugehen. Stichwort Erdgas: Die BASF-Tochterfirma Wintershall ist an der Erdgasförderung in Sibirien beteiligt, leitet den Rohstoff gemeinsam mit Gazprom sowie einigen anderen Konzernen über die Pipeline Nord Stream nach Deutschland, wo Gazprom Germania das Gas über ihre Tochterfirma Wingas speichert und vermarktet. Mit Nord Stream 2 soll eine weitere Röhre gebaut werden, die die Erdgasversorgung der EU - jedenfalls soweit es um Erdgas aus Russland geht - zu einer rein deutsch-russischen Angelegenheit macht. Damit erhält Berlin eine machtvolle Schlüsselstellung beim Gas.

Nun hat Rosneft am 18. Mai eine neue Niederlassung in der deutschen Hauptstadt eröffnet, die die Expansion des Konzerns in Deutschland organisieren soll. Die Firma stellt bereits jetzt 25 Prozent der deutschen Rohölimporte und besitzt gut zwölf Prozent der deutschen Raffineriekapazitäten. Zugleich kündigt sie den Ausbau ihres Vertriebs in Westeuropa an. Die neue Berliner Deutschlandzentrale solle Europazentrale werden, heißt es. Wintershall ist nicht nur in der russischen Gas-, sondern auch in der Ölförderung aktiv. Da kündigt sich eine Kooperation an, die mit derjenigen beim Erdgas zwar kaum mithalten wird, die aber eine starke Stellung Deutschlands in der Versorgung der EU mit russischem Erdöl mit sich bringen kann. Schröder soll nun Rosneft beim Aufbau des Europageschäfts über die Zentrale in Deutschland helfen.

Es geht also um deutsche Machtinteressen, und das nicht nur bezüglich der Ölversorgung der EU. Rosneft greift mittlerweile viel weiter aus. Kürzlich wurde bekannt, dass das Unternehmen CEFC China Energy für mehr als neun Milliarden US-Dollar einen Anteil von 14,16 Prozent an Rosneft erworben hat. Wozu? Wichtigstes Motiv sei es gewesen, sich auf die Neue Seidenstraße einzustellen, also auf das Konzept, die Land- und Seekorridore aus der Volksrepublik in Richtung Westen bis in die EU auszubauen, teilte Konzernchef Ye Jianming zu Wochenbeginn mit. Dabei nehme Russland mit seinen Rohstoffen eine wichtige Stellung ein. Chinas Neue Seidenstraße ist eines der bedeutendsten Megaprojekte der Gegenwart; wer die Zukunft nicht verschlafen will, tut gut daran, dabei zu sein. Rosneft beschränkt sich nicht darauf, hat im Februar Ölförder- und -lieferverträge mit der kurdischen Autonomieregierung in Erbil geschlossen und Mitte September zusätzlich eine Vereinbarung getroffen, die den Bau einer milliardenschweren Erdgaspipeline aus der irakisch-kurdischen Autonomieregion über die Türkei bis ans Mittelmeer vorsieht. Seitdem hängt der kurdische Staat, den Autonomiepräsident Masud Barzani schaffen will, nicht mehr am seidenen Faden, sondern an einer russischen Röhre. Moskau mischt wieder mit in Mittelost. Auch dies ist eine brisante Entwicklung, bei der es Berlin machtpolitisch keineswegs schaden würde, in welcher Form auch immer, dabei zu sein - und sei es über den Rosneft-Aufsichtsrat.

Man muss profitable Tätigkeiten eines Ex-Kanzlers im Auftrag eines russischen Unternehmens ebenso wenig befürworten wie die Berliner Bemühungen, über eine exklusive Kooperation mit Russland im Energiebereich die eigene Macht zu stärken. Ganz im Gegenteil. Jetzt, wo sich der Schaum vor den Mündern ein wenig gelegt hat, wird’s erst interessant.

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