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Der FC Bayern will wieder kuscheln
Jupp Heynckes soll zum vierten Mal die Münchner Fußballer trainieren
Es ist kalt in Fußballdeutschland. In der vergangenen Europapokalwoche hatten alle sechs Bundesligisten ihre Spiele in der Champions League und der Europa League verloren. Auch der FC Bayern München. Nach dem 0:3 in Paris wurde Trainer Carlo Ancelotti recht rüde vom Hof gejagt. Präsident Uli Hoeneß sprach »vom Feind im eigenen Bett.« Seitdem war der Klub auf der schnellen Suche nach kuscheliger Nestwärme. Offiziell war es bis zum frühen Donnerstagabend noch nicht, aber dass Jupp Heynckes zum vierten Mal Trainer beim FC Bayern wird, bestätigten da schon mehrere zuverlässige Quellen.
Wenn es selbst dem deutschen Rekordmeister schlecht geht, machen sich viele Sorgen. Auch Willy Sagnol. Im Mai hatte er sich Gedanken um die »Kultur und Identität« des Vereins gemacht und eine »klare Philosophie« vermisst. Dies hat ihn schon damals an der Bundesliga und dem FC Bayern zweifeln lassen, »die international nicht mehr die Hauptrolle« spielen. Nur wenig später holten ihn die Münchner heim - als Ancelottis Assistent. Die Klubführung hatte aus der ersten Saison mit dem Italiener gelernt. Sagnol, nach neun erfolgreichen Jahren als rechter Verteidiger einer mit dem Bayern-Gen, sollte fortan für ein Wohlfühlklima sorgen.
Dass nun nicht der 40-jährige Franzose, sondern der 32 Jahre ältere Heynckes dem FC Bayern wieder sportlichen Glanz verleihen soll, sagt viel über die Schwere der Krise aus. Zugetraut wurde es Sagnol jedenfalls nicht. Vielleicht hat er sich auch selbst um diese Chance gebracht. Zum einen verpasste er die Chance auf die schnelle Wiedergutmachung nach der Schmach von Paris. »Das Spiel in Berlin muss gewonnen werden«, forderte Sportdirektor Hasan Salihamidzic. Gegen Hertha BSC reichte es aber nur zu einem 2:2, die Krise verschärfte sich. Und dann fällte Sagnol auch noch ein vernichtendes Urteil: »Wir sind nicht mehr die stärkste Mannschaft in Deutschland!« Bei einem Rückstand von fünf Punkten nach nur sieben Spieltagen ist das im Selbstverständnis des FC Bayern eine unpassende Einschätzung.
Jetzt also Heynckes. Er bestätigte ein Treffen mit der Vereinsführung. Uli Hoeneß, Hasan Salihamidzic und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hätten ihn »gebeten, das Amt bis zum Sommer 2018 zu übernehmen«, sagte er gegenüber der »Rheinischen Post«. Es ginge nur noch um Details, hieß am Donnerstag.
Vorher hatten die Münchner Verantwortlichen mit einem anderen Kandidaten gesprochen. Den FC Bayern und Thomas Tuchel trennten aber wohl mehr als nur Details. Der ehemalige Dortmunder Trainer soll nicht bedingungslos zum Rekordmeister gestanden haben. Was das heißt? Dass Tuchel eigene Vorstellungen hat, um erfolgreich arbeiten zu können. Ist das falsch? Nein. Auch Pep Guardiola hatten die Münchner viele Zugeständnisse gemacht - und vom Perfektionismus des Katalanen profitiert.
Aber auch Guardiola war ja irgendwie an Heynckes gescheitert. Mit dem Triple aus Champions League, Meisterschaft und Pokal verließ er 2013 als strahlender Sieger die Fußballbühne. Den eindeutigen Auftrag, den Sieg in der Königsklasse zu wiederholen, konnte Guardiola nicht erfüllen. Dafür aber formte er eine Mannschaft und entwickelte Spieler, die jeder Gegner fürchtete.
Dass all das in nur einem Jahr zerstört wurde, ist nicht nur die Schuld von Carlo Ancelotti. Denn einerseits wusste man beim FC Bayern, welchen Typ Trainer man bekommt. Zum anderen hat es der Verein versäumt, klug und zukunftsorientiert auf dem Transfermarkt zu handeln. Heynckes wird mit der Situation umgehen können. Dass er sich das zutraut, lässt er durchblicken: »Ich fühle mich topfit.« Er kann dafür sorgen, dass die Spieler des FC Bayern wieder als Team und eine geschlossene Gemeinschaft auftreten. Die zuletzt durch Ancelotti verärgerten Stars wie Franck Ribery, Arjen Robben, Jerome Boateng oder Thomas Müller kennt er noch aus seiner letzten Trainerzeit in München. Und selbst wenn am Ende dieser Saison kein Titel in München gefeiert werden kann. Wenn sich dann wieder alle halbwegs wohlfühlen, hat Heynckes den Weg für seinen Nachfolger geebnet. Das könnte dann Julian Nagelsmann sein. Hoffenheims Trainer hat dem FC Bayern zuletzt ja schon öffentlich seine Liebe gestanden. Und: Er hat eine klare Spielvorstellung: mutig und modern. Eigenschaften, für die der FC Bayern derzeit nicht steht.
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