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Mystischer Schwarm
Petra Postert schenkt uns ein Buch voller Bienengesumm
Als der Großvater stirbt, ist Josy zwölf Jahre alt und geht in die sechste Klasse. Opa Ottmar war Imker und hat seiner Enkelin Bienen vermacht. Ein Kind und 7000 stechlustige Insekten - wie soll das gehen? Was hat er sich nur dabei gedacht?
Petra Postert: Das Jahr, als die Bienen kamen.
Tulipan Verlag, 191 S., geb., 13 €
Bienen gehören nicht zu uns, findet die ängstliche Mutter. Josy selbst überdenkt im Geiste ihre dicht gefüllte Woche: Am Dienstag geht sie zum Schwimmen, jeden Mittwoch tanzen und am Freitag steht Gitarrenspiel auf dem Plan. Bliebe noch der Donnerstag … Wären die Bienen ein Hund, hätte Josy mit einer Zusage keine Minute gezögert. Aber so?
Petra Postert beginnt ihren Kinderroman mit einer geradezu mystisch anmutenden Schilderung aus einer winterlichen Bienenbehausung. Hunderte von Gelbgestreiften versorgen darin eine Königin mit Nahrung und Wärme. »Die Bienen heizten, indem sie die Muskeln, die sie sonst zum Fliegen brauchten, summend zittern ließen«, heißt es da.
Die geradezu magischen Blicke in das Innere eines Bienenstockes wechseln sich ab mit der nüchternen Beschreibung des Alltags der Sechstklässlerin. Aus diesem Nebeneinander zweier Handlungen entsteht eine starke Spannung.
Kaum sind wir Zeuge der Befruchtung einer Bienenkönigin im Fluge geworden, da erleben wir, wie Josy zum ersten Mal eine Imkerversammlung besucht. Schritt für Schritt haben Opas kleine Flugsubjekte mehr Raum in ihrem Alltag eingenommen.
Dazu trägt Alma bei, Großvaters Vertraute und Imkerfreundin. Sie zeigt dem Mädchen, wie man sich den Bienen nähert oder den Honig herstellt, erklärt die Begriffe und überrascht mit der Tatsache, dass sich die Tierchen sogar streicheln lassen. Bald hat Josy jegliche Angst verloren und im Frühjahr, als täglich 1000 Bienen aus den Eiern schlüpfen, nennt Josy Opas lebendiges Erbe längst »meine Bienen«.
Mit dem Kind erfahren die Leser viel über das interessante soziale Lebensgefüge der Insekten, aber auch über die Bedrohungen, etwa durch Milben. Doch ein Roman wäre kein Roman, wenn nicht Unvorhergesehenes passierte. Eines Tages geht Josy ein Schwarm ab, so heißt es im Imkersprech, wenn ein Bienenvolk mitsamt der Königin abhaut. Das ist ein schwerer Schlag für die kleine Expertin, die es inzwischen genießt, wenn sich der bieneninteressierte Lehrer bei ihr Rat holt. Schließlich stiehlt ein Dieb ihre Bienen und Josy, die zuerst ihre Mutter in Verdacht hat, die Bienenbehausung fortgeschafft zu haben, zerstört vor Wut alle Pflanzen im Garten.
Am Ende jedoch kommt es, wie die weise Alma es zu Beginn der Geschichte bereits angedeutet hat: Von den Bienen, so berichtete sie Josy, hatte Opa Otti das Leben gelernt. Gelernt, wie man weitermacht, komme, was da wolle. Da ist Josy ganz bei ihr. Nach einem Jahr als Imkerin kann sie darüber hinaus auch die Frage beantworten, warum der Großvater ausgerechnet einer Zwölfjährigen seine Bienen anvertraute.
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