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Anarchische Abenteuerfußballer
Nach spektakulärem Sieg in Dortmund hofft Leipzig auf eine spannende Bundesligasaison
Ralf Rangnick stand seelenruhig im Halbdunkel, das eine Bein entspannt über das andere gelegt, und sprach über die Leipziger Siegertaktik. Das 3:2 bei Spitzenreiter Borussia Dortmund bewertete der Sportdirektor der Sachsen in nüchterner Freundlichkeit, wie ein spiritueller Anführer segnete er dabei die Thesen seines Trainers ab. Ralph Hasenhüttl hatte zuvor wiederholt seine gelungene Vorbereitung auf das Gipfeltreffen der Bundesliga im Revier herausgestrichen. Nun kraulte auch Rangnick die frisch genährte Eitelkeit des Österreichers, indem er sagte: »Die Aufstellung war völlig richtig und nachvollziehbar - die schnellsten Spieler hinten drin zu haben.«
Deshalb spielte - trotz gebrochenen Zehs - Stefan Ilsanker und nicht Willi Orban im Abwehrzentrum. Nach Ilsankers Patzer, den der Dortmunder Torproduzent Pierre-Emerick Aubameyang zum ersten seiner beiden Treffer nutzte, schienen Hasenhüttls Pläne früh zu bersten. Doch die Leipziger haben in ihrer Premierensaison in der Bundesliga dazugelernt. Im Februar, beim Dortmunder Skandalspiel mit Jagdszenen auf RB-Fans und einer Reihe geschmackloser Plakate auf der Südtribüne, verloren sie noch 0:1. »Diesmal wollten wir mutiger sein«, berichtete Hasenhüttl.
Gerade gegen den BVB, der bei seinen bisherigen Saisonniederlagen in der Champions League bei Tottenham Hotspur und gegen Real Madrid mit fatalem Übermut in sein Verderben gerannt war, ließ dieser Plan ein aufregendes Match erwarten. Das wurde es tatsächlich - auch wenn der Dortmunder Trainer Peter Bosz anschließend knötterte: »Das war kein großartiges Spiel. Spannend ja - aber guter Fußball: nein.« Vor allem die ständigen Rückpässe seiner Fußballer auf Torwart Roman Bürki gingen dem Niederländer auf die Nerven. Dafür hatten die Gäste aus Leipzig jenen Mut, der den Dortmundern fehlte, im Übermaß.
Stürmer Yussuf Poulsen, Schütze des 2:1-Führungstreffers, sprach von der besten Saisonleistung seiner Leipziger Mannschaft, Trainer Hasenhüttl gar vom besten Auftritt in seinen bislang 16 Monaten bei RasenBallsport. Naby Keita und der starke Ex-Borusse Kevin Kampl, die zuvor noch nie zusammen das defensive Mittelfeld bekleidet hatten, waren das kräftige Doppelherz im Team des Vizemeisters. Und vorne im Angriff rissen der unberechenbare Bruma und der schnelle Jean-Kevin Augustin die Defensive der Hausherren immer wieder auseinander.
»Wir haben Dortmund richtig Stress gemacht. Ich hatte das Gefühl, dass wir viel mehr Lösungen haben als der Gegner«, pries Hasenhüttl zufrieden lächelnd die eigene Arbeit - mit der er nebenbei die stolze Dortmunder Serie von 41 Bundesliga-Heimspielen ohne Niederlage zerschmettert hatte. Der letzte Triumph im schwarz-gelben Tempel gelang dem FC Bayern München am 4. April 2015. Nun lösten die Abenteuerfußballer aus Leipzig sie mit ihrem Erfolg über die Abenteuerfußballer aus Westfalen ab.
Nach dem Coup dankte Hasenhüttl den Spielplangestaltern der Deutsche Fußball Liga - da er seine Mannschaft dank Länderspielpause und ohne die noch ungewohnte Zusatzbelastung Champions League auf dieses spezielle Duell hin trimmen konnte. »Hier so offensiv aufzutreten wie wir, das kann auch böse nach hinten losgehen. Aber wir haben uns vorher gesagt: Wir wollen hier was Spektakuläres bieten«, betonte der 50-Jährige. Und sein Sportchef pflichtete ihm, wenn auch nicht ganz so enthusiastisch, bei.
»Wir wussten, dass wir hier nur mit sehr viel Courage und Mut was reißen können. Das hat zu großen Teilen geklappt«, erklärte Ralf Rangnick. Den 22-jährigen Portugiesen Bruma führte er dabei als wichtiges Puzzleteil an. »Er wird von Spiel zu Spiel besser. Außerdem hat sein Stil ein bisschen was Anarchisches«, kommentierte der langjährige Coach genüsslich. »Wir haben richtig gezeigt, was wir drauf haben«, tönte dazu Poulsen. Eskortiert von Übungsleiter Hasenhüttl, der den Kollegen Bosz ganz ohne die Mithilfe der Spitzenkräfte Timo Werner und Emil Forsberg düpiert hatte und mit Blick aufs Meisterrennen vollmundig verkündete: »Wir haben Variationsmöglichkeiten, das wird im Lauf der Saison ein großer Vorteil für uns sein. Ich blicke mit viel Zuversicht auf eine sehr spannende Saison.«
Und in der möchte RB Leipzig - nach einem Remis gegen Monaco und einer Niederlage bei Besiktas Istanbul - am Dienstag auch endlich in der Königsklasse glänzen. »So etwas wie in Dortmund wollen wie jetzt gegen Porto schaffen und Fußball-Deutschland gut vertreten«, sagte Ralph Hasenhüttl in der Dortmunder Arena feierlich. »Sonst ist der Zug in der Champions League abgefahren.«
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