Den Kopf wieder über Wasser
Leipzig wehrt 500-Millionen-Klage einer Schweizer Großbank zum zweiten Mal ab
Klaus Heininger hat Leipzig nicht ruiniert - das ist nach dem erneuten Urteil aus London einigermaßen sicher. Vor einem Jahrzehnt hatte der damalige Geschäftsführer der Kommunalen Wasserwerke Leipzig (KWL) hoch riskante Finanzwetten mit der Londoner Filiale der Schweizer Großbank UBS abgeschlossen. In der Finanzkrise platzten die Geschäfte. Den Schaden, der sich samt Zinsen sowie Anwalts- und Prozesskosten auf eine halbe Milliarde Euro beläuft, wollte die Bank von der sächsischen Messestadt erstattet bekommen. Mit dem Berufungsgericht Court of Appeal in London hat das nun bereits die zweite Instanz abgelehnt. »Das nimmt einen enormen Druck von uns«, sagt Burkhard Jung (SPD), Leipzigs Oberbürgermeister, und spricht von einer »befreienden Situation«.
Hätte das Gericht anders entschieden, hätten 600 000 Bürger die Habgier eines einzelnen Managers teuer büßen müssen. Heininger schloss die Geschäfte ohne Wissen seiner Managerkollegen oder der kommunalen Eigentümer von KWL ab. Von dem als Vermittler eingeschalteten Unternehmen Value Partners kassierte er dafür 3,5 Millionen Euro Bestechungsgeld. Die Firma profitierte ihrerseits von der Höhe des Risikos, das Heininger namens der KWL übernahm.
Die Richter in London sahen Value Partners jedoch in einem Interessenkonflikt: Das Unternehmen hätte auch eine »Treuepflicht« gegenüber KWL gehabt. Die UBS wiederum wusste um die Verstöße »und wirkte daran mit«, sagt Christine Volohonsky von der Kanzlei Noerr, die Leipzigs Interessen in dem spektakulären Prozess vertrat. Dieser beschäftigte zunächst 47 Verhandlungstage lang den High Court und danach ungewöhnlich lange auch das Berufungsgericht. Dieses bestätigte mit den Stimmen von zwei der drei Richter das Urteil aus erster In-stanz. Dort war UBS auch eigenes schlechtes Management der Finanzwetten zur Last gelegt worden. »Man hat so erst den Schaden erzeugt, für den man KWL dann in Haftung nehmen wollte«, sagt Volohonsky.
In Leipzig kann man nun zunächst aufatmen. Nicht nur hat man einen riskanten Rechtsstreit gegen einen mächtigen Kontrahenten gewonnen: »Eine der mächtigsten Banken der Welt verlor gegen eine deutsche Kommune«, formuliert OB Jung. Die Stadt und ihre Firmen gewinnen auch finanziell an Handlungsfähigkeit. Das Rathaus hatte Bürgschaften gewährt, Rückstellungen gebildet und viele Entscheidungen nur unter Vorbehalt getroffen. »Das hat unseren Haushalt beengt«, sagt Jung. Auch die Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft LVV, die Mutter der KWL, hatte vorsorglich 90 Millionen Euro beiseitegelegt und für die kommenden Jahre »immer unter den Beschränkungen des Rechtsstreits geplant«, sagt Norbert Menke, Sprecher der Geschäftsführung.
Gänzlich abgewehrt ist die Drohung freilich noch immer nicht. UBS steht der Gang zum Supreme Court offen. Die Entscheidung muss binnen 28 Tagen fallen. Das Unternehmen hat angekündigt, diesen Weg gehen zu wollen. Jung hält das für unverantwortlich und appellierte an den »Anstand« der Banker: »Wenn man zweimal verloren hat, gibt man auf.« Selbst wenn das Verfahren jetzt endet, bleiben die KWL auf einem Teil der Prozesskosten sitzen, was man freilich mit Fassung trägt. »Wenn man 500 Millionen abgewiesen hat«, sagt Geschäftsführer Michael M. Theis, »redet man nicht über fünf oder zehn Millionen, die das gekostet hat.«
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