Spiel mit dem »schwarzen Gold«
In Polens Energiesektor dominiert die Kohle. Nun gibt es erste Absetzbewegungen
Vor einigen Tagen sorgte eine Aussage des polnischen Energieministers, Krzysztof Tchórzewski, bei einem Wirtschaftsforum in Krynica für Aufsehen: Das neue Kohlekraftwerk in Ostrołęka sei die letzte Investition dieser Art. »Polen verabschiedet sich vom schwarzen Gold«, schrieb die linksgerichtete »Gazeta Wyborcza« über den Auftritt des Politikers der nationalkonservativen Regierungspartei PiS.
Wirtschaftsfachleute wurden hell-hörig, zumal Polen sich seit Jahren gegen eine Abkehr von der Kohle stemmt und in der EU wichtige Entscheidungen beim Klimaschutz behindert. Der PiS-Wahlsieg im Herbst 2015 beruhte nicht zuletzt auf Wählerstimmen aus Südpolen, wo die Gewerkschaften auf die Kohle schwören. Für die vielen Bergarbeiter in den industriearmen Regionen gibt es bisher kaum alternative Jobs. PiS-Vorsitzender Jarosław Kaczyński appellierte im Wahlkampf an den Nationalstolz der Polen, sich mit dem billigen ureigenen Bodenschatz von Russland unabhängig zu machen. Die Kohleindustrie garantiere »nationale Energiesicherheit«, tönte es monatelang aus der Parteizentrale in der Watschauer Nowogrodzka-Straße. Absurd, denn Polen importierte zuletzt immer mehr (günstigere) russische Steinkohle. Selbst Ministerpräsidentin Beata Szydło, Tochter eines Bergarbeiters, gab der Branche wiederholt eine Bestandsgarantie.
Wird die PiS-Regierung jetzt demütig und hört auf die Stimmen aus Brüssel? In der Tat gestaltet sich die Förderung des »schwarzen Goldes« in Polen immer schwieriger. Viele Bergwerke sind marode, manche staatlichen Energiekonzerne zerschlagen. Fachleute bezweifeln, dass der zukunftsorientierte Wirtschaftsminister Mateusz Morawiecki die Zechen auf Dauer subventionieren will. »Wenn der Staat diese sterbenden Bergwerke übernähme, würde ihn dies eine halbe Milliarde Euro kosten«, glaubt Tomasz Rogala, Chef des Bergbauunternehmens PGG.
Zudem wächst der Druck aus Brüssel. Das Land an der Weichsel emittiert jährlich ca. 330 Millionen Tonnen CO2 - beinahe so viel wie das ungleich wirtschaftsstärkere Frankreich. In Polen werden die erneuerbaren Energien trotz erster Bemühungen noch kaum ausgebaut. Die Regierung fürchtet die politischen Folgen, die sie beim nächsten Urnengang zu spüren bekäme. Das Credo »polnische Bergwerke sind unser Nationalgut« setzt insbesondere in strukturschwachen Regionen Emotionen frei.
Dabei wird die Notwendigkeit des Ausbaus nicht-fossiler Energieträger auch dem Normalbürger immer klarer. Gerade im Winter sind Großstädte wie Krakau und Warschau von Smog eingehüllt. Viele Häuser sind kaum isoliert und werden in veralteten Kachelöfen mit Kohle, dem günstigsten Brennstoff, beheizt, was die Feinstaubwerte in die Höhe treibt. Jährlich sterben Tausende Polen an den Folgen. Daher wird die Forderung nach Lösungen lauter, die ohne die Ausweitung regenerativer Energien nicht möglich sind.
Konzernchef Rogala geht jedoch von einem sehr langsamen Umstieg aus. Polnische Kohle werde noch viele Jahre der wichtigste Energieträger bleiben, so sein Credo. Tatsächlich werden in Warschau vor allem die hohen Kosten gesehen, wobei aber auch Sanktionen drohen, wenn die Regierung umweltpolitisch aus dem europäischen Chor ausschert. Polen versucht gleichsam den Spagat zwischen dem Erhalt eines alten Indus- triezweigs und dem Ausbau der erneuerbaren Energien. »In Sachen Kohleausstieg spielt die Regierung mit Brüssel ein Spiel auf Zeit«, meint die Publizistin Katarzyna Pogorzelska. Es wird spannend sein, zu beobachten, wie das Spiel mit dem »schwarzen Gold« ausgeht.
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