• Politik
  • Unabhängigkeitsstreit in Katalonien

Hunderttausende demonstrieren gegen Inhaftierungen

In Rekordzeit hat das spanische Verfassungsgericht das Referendumsgesetz verboten

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 2 Min.

»Freiheit für die politischen Gefangenen«, »Raus mit den Besatzern« und »Unabhängigkeit« hallten am Dienstagabend die Sprechchöre durch ganz Katalonien. Allein in der Metropole Barcelona haben sich nach Angaben der Polizei mehr als 200.000 Menschen versammelt. Mit Kerzen und Spruchbändern bewaffnet sorgten sie über Stunden für ein Verkehrschaos, da die zentralen Straßen verstopft waren.

Der massive und spontane Protest richtete sich gegen die Inhaftierung der »zwei Jordis«, der Präsidenten der großen zivilgesellschaftlichen Organisationen wegen »Aufruhr«. Der Präsident des Katalanischen Nationalkongresses (ANC), Jordi Sànchez, und der Chef der Kulturorganisation Òmnium Cultural, Jordi Cuixart, haben nun die zweite Nacht im Gefängnis in der Hauptstadt Madrid verbracht. Freiheit für sie wurde aber nicht nur in Katalonien gefordert, sondern auch in vielen Städten des spanischen Staats. Besonders stark waren die Proteste im Baskenland.

Allen ist klar, dass nun die entscheidenden Stunden laufen. Am frühen Donnerstag läuft das zweite spanische Ultimatum ab. Fast alle gehen davon aus, dass die katalanische Regierung nicht den Rückwärtsgang einlegt, weshalb Madrid die nächste Repressionsstufe zünden, die Autonomie aussetzen und Politiker verhaften dürfte. Die Grundlage wurde über das Urteil des spanischen Verfassungsgerichts am Dienstag geschaffen, als das Gesetz für das Referendum am 1. Oktober definitiv »annulliert« wurde. In nur wenigen Stunden war es »befristet« ausgesetzt worden. Deshalb war es bisher falsch, von einem illegalen Referendum zu sprechen.

Die Eile am Gericht interpretieren viele so, dass nicht alle vor der Justiz gleich sind. Üblicherweise braucht das höchste Gericht Jahre für ein Urteil. Es ist Wasser auf die Mühlen derer, die wie die linke Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, keine »effektive Gewaltenteilung« in Spanien sehen. Es gibt zu viele Zufälle wie die Inhaftierung der »Jordis« mit dem Auslaufen des ersten Ultimatums.

Der Druck auf den katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont ist nun extrem hoch, das Übergangsgesetz in Kraft zu setzen. Nach der Unabhängigkeitserklärung hatte er vergangene Woche deren Wirksamkeit ausgesetzt, um den Raum für Vermittlung und Dialog offen zu halten. Doch Spanien lehnt diese Angebote kategorisch ab.

Wie »nd« in Erfahrung bringen konnte, verhandelt man mit der linksradikalen CUP nun über die »verbindliche Konkretisierung«. Kreise der Einheitsliste »Junts pel Si« (Gemeinsam für das Ja) haben bestätigt, dass »allen klar ist, dass das in den nächsten Tagen« geschehen müsse.

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