Petry biedert sich als Koalitionspartner an

Sächsische AfD deklariert Rücktritt von Tillich für sich / »Blaue Gruppe« im Landtag sieht sich als möglicher neuer Partner der CDU

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Als sich Mittwochmittag abzeichnete, dass es in der sächsischen CDU und Landesregierung größere Veränderungen geben würde, schrieb der AfD-Landtagsabgeordnete Carsten Hütter in den sozialen Netzwerken: »Großes Stühlerücken in der sächsischen Regierung, wir dürfen gespannt sein. AfD wirkt!« Als dann wenige Stunden später klar war, dass Ministerpräsident Stanislaw Tillich sich im Dezember zurückziehen wird, schob Hütter nach: »Nur Frau Merkel klebt noch an ihrem Sessel!« Diese Äußerungen ließen sich schnell als erwartbare Reaktion eines Rechtsaußenpolitikers abtun, als übersteigertes Eigenlob mit einer gehörigen Portion Größenwahn, von Sachsen aus nun auch die Kanzlerin in die Knie zwingen zu können. Diese Rhetorik der Selbstüberhöhung ist in der AfD nicht ungewöhnlich, sie dient vor allem dazu, der eigenen Wählerschaft zu zeigen, wie groß doch der inzwischen der Einfluss auf die Politik geworden sei.

Und doch steckt in dieser Aussage etwas wahres: Tillich gab freimütig zu, dass sein Rückzug auch eine Reaktion auf das Erstarken der AfD im Freistaat ist. Im konservativen Hausblatt »Welt« brachte Chefkommentator Torsten Krauel sogar mögliche Neuwahlen im Freistaat ins Spiel. Mit »Fug und Recht« lasse sich behaupten, »dass der gegenwärtige sächsische Landtag den Wählerwillen Sachsens nicht mehr angemessen abbildet«, schrieb Krauel.

Im Ergebnis könnte dies laut Umfragen mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens zu einer Verdopplung des AfD-Ergebnisses führen, die bei der Landtagswahl 2014 als noch junge Partei aus dem Stand 9,7 Prozent holte. Obwohl die Rechten offensichtlich größter Profiteur von Neuwahlen wären, hält sich die sächsische AfD bisher mit Forderungen in diese Richtung auffällig zurück.

Dafür gibt es einen simplen Grund: Nach dem Ausstieg von Frauke Petry musste sich ihr bisheriger Landverband personell auf mehreren Ebenen neu aufstellen, da Petry bis zu ihrem Parteiaustritt nicht nur Bundesvorsitzende war, sondern in Personalunion auch noch die Posten als Landeschefin und Fraktionsvorsitzende inne hatte. Letztere Funktion ist seit Donnertag neu besetzt: Die AfD-Fraktion wählte Jörg Urban an die Spitze, dem auch Ambitionen auf den Landesvorsitz nachgesagt werden. Doch nach derzeitigen Plänen soll dieser erst im Januar bestimmt werden. Sich derartig kopflos auf die Forderung nach Neuwahlen einzuschießen, erscheint wohl auch der AfD derzeit zu riskant. Und so beließ es auch Urban zunächst bei eher vagen Andeutungen. Die Nominierung von Michael Kretschmer als Tillich-Nachfolger sei »kein Signal für einen Neuanfang«, weshalb die AfD »heute mehr denn je« gebraucht werde.

Durch die Blume sagte Urban damit, dass es der Rechtsaußenpartei derzeit gelingt, die sächsische Union vor sich herzutreiben, was sich nicht zuletzt im Landesergebnis der Bundestagswahl zeigte, als die AfD sogar knapp vor der CDU auf dem ersten Platz landete. Ironischerweise war es damit ausgerechnet eine These Kretschmers aus dem Landtagswahljahr 2014 de facto widerlegt. Damals hatte der Generalsekretär der sächsischen CDU in einem Interview mit dem Deutschlandfunk behauptet, am Ende der Legislaturperiode werde es »die AfD nicht mehr geben«, während die Union »sehr gestärkt daraus hervorgehen« werde. Zwei Jahre vor dem bisher regulären Wahltermin sieht es eher nach dem genauen Gegenteil aus.

Wie die Perspektiven speziell für die sächsische AfD aussehen, wird sich erst in den nächsten Monaten klarer zeigen. Neben den Landesverbänden in Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen litten die Rechten im Freistaat personell bisher am stärksten unter dem Fortgang Petrys. Neben ihr verließen vier weitere Abgeordnete die Fraktion, darunter auch der bisherige Fraktionschef Uwe Wurlitzer. Die fünf sitzen seither als »Blaue Gruppe« im Landtag. Auch wenn die verbliebenen AfD-Vertreter die Abgänge kleinreden, herrscht doch Unsicherheit in Petrys bisherigem Landesverband.

Die frühere AfD-Chefin versucht ihrerseits, politischen Gewinn aus der CDU-Krise zu ziehen. Auch wenn Petry ebenfalls die Forderungen nach Neuwahlen nicht in den Mund nahm, orakelte sie, dass die Chancen für ihre »Blaue Partei« durch den geplanten Wechsel an der Spitze der sächsischen Landesregierung nun steigen würden. Die »Lücke für eine wahrhaft konservative Kraft« werde durch diesen Schritt größer.

Auch wenn das primär große Ankündigungen sind, ist die Einschätzung nicht völlig falsch. Gerade in der sächsischen CDU gab es in der Vergangenheit Stimmen, die vor dem Weggang Petrys in der AfD Kräfte sahen, mit der es in ferner Zukunft eine Zusammenarbeit geben könnte. In genau dieser Position sieht sich nun die Ex-Chefin der Rechten.

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