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Menschenrechte in Zeiten des Autoritarismus und des Rechtsrucks
Amnesty International zeichnet im Jahresbericht 2024/25 ein düsteres Bild – auch für Deutschland
Am Montag hat Amnesty International (AI) ihren Jahresbericht zur Lage der Menschenrechte für 2024 vorgelegt. Die Organisation sieht im Licht der sich weltweit häufenden Menschenrechtsverletzungen und des Angriffs auf Rechtsstaatlichkeit und Regierungskritik in vielen Ländern eine autoritäre Wende. Um diese durchzusetzen würden politisch Andersdenkende unterdrückt und verfolgt. Staaten führten wahlweise neue Gesetze ein oder legten bestehende Vorschriften antidemokratisch aus. Eingesetzt würden dazu »Spionagesoftware, pauschale Demonstrationsverbote, Polizeigewalt, Masseninhaftierungen und Folter«, erklärt der deutsche Ableger der Organisation in einer Mitteilung.
Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, spricht sogar von einem »epochalen Bruch«. Menschenrechtsverletzungen würden »nicht mehr geleugnet oder vertuscht, sondern ausdrücklich gerechtfertigt«. Das gelte nicht nur für aktive Kriegsregionen in Osteuropa, West- und Südasien oder Nordafrika. Der Jahresreport umfasst Berichte über die menschenrechtliche Situation in 150 Ländern.
In Deutschland gehe die Polizei »mit unverhältnismäßiger Härte gegen friedliche Proteste vor«, heißt es in dem Bericht. Dies habe im vergangenen Jahr vor allem klimapolitische Demonstrationen sowie palästinasolidarische Proteste getroffen. Mithilfe von Beschuldigungen des »Extremismus« oder »Terrorismus« werde diese Repression häufig legitimiert. Zivilgesellschaftliche Handlungsspielräume würden so massiv eingeschränkt.
»Menschenrechtsverletzungen werden nicht mehr geleugnet oder vertuscht, sondern ausdrücklich gerechtfertigt.«
Julia Duchrow Generalsekretärin von Amensty International Deutschland
Zudem stehe Deutschland laut AI zu Recht in der Kritik. So richteten sich deutsche Regierungsbeteiligte zwar immer wieder mit dem Wunsch nach einem Waffenstillstand und Frieden an Israel, belieferten die aktive Kriegspartei jedoch weiter mit Waffen – im Gegensatz zu Spanien und Belgien, die diese Unterstützung nach Empfehlung von UN-Expert*innen aussetzten.
AI kommt in seinem Bericht außerdem zu dem Ergebnis, dass die Rechte von LGBTIQA+ und Frauen global bedroht seien und geschlechtsspezifische Gewalt zunehme. In Georgien und Bulgarien folge man etwa dem russischen Beispiel und nutze das rechte Narrativ der »homosexuellen Propaganda«, um marginalisierte und regimekritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.
In Afghanistan hätten die Taliban die Unterdrückung von Frauen und Mädchen verstärkt, indem diese Stück für Stück aus der Öffentlichkeit verdrängt und ihrer Grundrechte beraubt würden. Internetplattformen wie Tiktok und Meta löschten außerdem in anderen Ländern aktivistische Inhalte, die beispielsweise Informationen über Schwangerschaftsabbrüche oder sexuelle Selbstbestimmung zur Verfügung stellen – dies betrifft etwa die USA oder Argentinien.
AI dokumentiert zugleich, dass sich weltweit Millionen Menschen gegen diese Menschenrechtsverletzungen und gegen Krieg einsetzten. Duchrow erklärt daher: »Die Menschenrechte haben weiterhin große Strahlkraft. Die Mehrheit der Menschen will keine Welt, in der Regierungen unkontrollierte Macht haben und das Recht des Stärkeren zählt.«
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Mit dem Bericht appelliert die Nichtregierungsorganisation an die internationale Gemeinschaft, sich des Ursprungs des »internationalen Systems« der Menschenrechte, wie es heute existiert, zu erinnern: an »den Zweiten Weltkrieg und seinen Holocaust«.
Amensty International Deutschland fordert die Bundesregierung auf, ihrer menschenrechtlichen Verpflichtung nachzukommen. Die Organisation befürchtet jedoch, dass die künftige CDU/CSU-SPD-Regierung diesen Appell ignoriere. Konkret benennt der deutsche Ableger der Menschenrechtsorganisation die »Zeitenwende in der inneren Sicherheit«, die im öffentlichen Diskurs allgegenwärtig ist und im Koalitionsvertrag festgelegt wurde. Sie bediene »rassistische Feindbilder, instrumentalisiert das Aufenthalts- und Migrationsrecht, bläht Überwachung auf und greift die Zivilgesellschaft an«.
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