1,3 Millionen fordern ein Ende für Glyphosat
Frankreich will nur eine befristete Neuzulassung / Deutschland dürfte sich bei Abstimmung erneut enthalten
Brüssel. Stellvertretend für mehr als eine Million EU-Bürger haben Umweltschützer in Brüssel ein Verbot des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat gefordert. Repräsentanten der Europäischen Bürgerinitiative gegen Glyphosat trafen dazu am Montag den für Lebensmittelsicherheit zuständigen EU-Kommissar Vytenis Andriukaitis.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace übergab eine Petition mit 1,3 Millionen Unterzeichnern, die ein Verbot des Mittels fordert. Die EU-Kommission hat bisher eine Verlängerung der Zulassung um zehn Jahre vorgeschlagen, schloss vor einer geplanten Abstimmung der EU-Mitgliedstaaten am Mittwoch aber Änderungen nicht mehr aus.
Der Einsatz des Unkrautvernichters ist in Europa hoch umstritten: Das Internationale Krebsforschungszentrum stuft die Chemikalie als »wahrscheinlich« krebserregend ein, Aufsichtsbehörden in Deutschland und der EU kamen zu einem anderen Schluss.
Der Leiter der EU-Abteilung von Greenpeace, Jorgo Riss, warf der EU-Kommission vor, »kurzfristige Interessen von Chemieunternehmen vor die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu stellen«. Er forderte die Behörde auf, »einen Weg einzuschlagen, um gefährliche Pestizide auslaufen zu lassen«.
»Der jetzige Verordnungsentwurf seitens der EU-Kommission missachtet das Vorsorgeprinzip und ist unvereinbar mit dem Schutz unserer Gesundheit und natürlichen Lebensgrundlagen«, warnte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Für Ärger hatte die Zulassung von Glyphosat schon 2016 gesorgt. Die EU-Staaten konnten sich damals nicht auf ein Verbot oder eine Verlängerung der Zulassung einigen. Die EU-Kommission verlängerte daraufhin die Zulassung vorläufig um anderthalb Jahre. Sie läuft am 15. Dezember aus. Auch dieses Mal ist unklar, ob es eine qualifizierte Mehrheit für oder gegen eine Zulassung geben wird. Nötig sind dafür mindestens 16 Staaten, die für 65 Prozent der EU-Bevölkerung stehen.
Im Streit um die Neuzulassung strebt Frankreich daher einen Kompromiss an: Umweltminister Nicolas Hulot warb am Montag für eine befristete Zulassung. Diese könne »zum Beispiel für drei Jahre« erfolgen. Eine Markterlaubnis des Herbizids für weitere zehn Jahre lehnt die Regierung in Paris ab.
Französische Regierung streitet über Neuzulassung
Hulot bekräftigte, Frankreich wolle am Mittwoch bei einer Ausschuss-Sitzung der EU-Staaten in Brüssel gegen den Kommissionsvorschlag stimmen. Eine Zulassung von maximal fünf Jahren sei für ihn aber denkbar. Landwirtschaftsminister Stéphane Tavert hat sich für fünf bis sieben Jahre ausgesprochen. Doch Einigkeit herrscht in den Regierungsreihen nicht: 54 Abgeordnete von La République en Marche (LREM) sprachen sich in der Zeitung »Le Monde« aus gesundheitlichen Gründen für ein Glyphosat-Verbot aus. Auch die französischen Grünen fordern ein Verbot, sie haben in der Nationalversammlung aber nur einen Sitz.
In der Bundesregierung ist Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) gegen eine Verlängerung. Für die Ministerin »bleibt ein Nein ein Nein«, sagte am Montag ihr Sprecher. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) dagegen ist für eine Verlängerung. »Ich kann keinen neuen Sachstand mitteilen«, sagte sein Sprecher in Berlin. Ohne einheitliche Einigung wird sich die Bundesregierung wohl erneut enthalten.
Am Montag blieb unklar, ob die EU-Kommission ihren Zulassungsvorschlag für zehn Jahre womöglich noch vor der Abstimmung anpassen könnte. Eine Sprecherin der Kommission sagte zunächst, dafür sei ein entsprechender Antrag der Mitgliedstaaten nötig. Gefordert habe das aber bisher niemand.
Umfrage: Mehrheit fordert sofortigen Zulassungsentzug
Laut einer aktuellen repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag des NABU sind 59 Prozent der deutschen Bevölkerung für ein sofortiges Ende der Zulassung. Insgesamt 74 Prozent wären dazu bereit, einen höheren Preis für ihre Lebensmittel zu zahlen, wenn sie dafür sicher sein könnten, dass in der Landwirtschaft kein Glyphosat verwendet wird.
Ein Kommissionssprecher korrigierte dies kurz darauf und sagte, die Anpassung sei auch ohne Antrag der Mitgliedstaaten grundsätzlich möglich. Hier müsse aber die wöchentliche Sitzung der Kommission am Dienstag in Straßburg abgewartet werden. Dort wolle der zuständige EU-Kommissar Vytenis Andriukaitis seine Kollegen über den Stand informieren.
Glyphosat ist Hauptbestandteil des Mittels Roundup des US-Agrarkonzerns Monsanto. EU-Abgeordnete fordern einen Untersuchungsausschuss, der eine mögliche Einflussnahme von Monsanto auf die Bewertung des Unkrautvernichters untersucht. Agenturen/nd
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