Der Norden will mehr Autonomie

Extrem rechte Lega Nord kann Abstimmungsergebnisse in Venetien und der Lombardei als Erfolg für sich verbuchen

  • Wolf H. Wagner, Florenz.
  • Lesedauer: 3 Min.

Roberto Maroni und Luca Zaia hatten einen guten Sonntag. Der Gouverneur der Region Lombardei und sein Amtskollege in Venetien - beide von der Partei Lega Nord - zeigen mehr als deutlich ihre Freude über den Ausgang des Autonomiereferendums. In den beiden reichen Regionen des italienischen Nordens stimmten über 90 Prozent der Teilnehmer für mehr Autonomie. Allerdings kann die Freude um die Region rings um Mailand nur eine verhaltene sein, denn die Stimmbeteiligung lag lediglich bei 38,2 Prozent. Die deutliche Mehrheit der Lombarden stellt sich somit entweder gegen die von der Lega geforderte Autonomie, oder den Bürgern ist es einfach egal, was die politisch Oberen verlangen.

Etwas anders sieht es in der Region Venetien aus. Überzeugt vom Erfolg, setzte Luca Zaia ein Quorum von 50 Prozent für die Gültigkeit des Referendums an und frohlockte, als nach Schließung der Wahllokale eine Beteiligung von 57,2 Prozent verkündet wurde. 98,1 Prozent der abgegebenen Stimmen wählten mehr Autonomie für Venetien. In ihren Vorstellungen wünschen sich die Lega-Politiker für ihre Regionen einen Status ähnlich denen von Südtirol, Aostatal, Sardinien, Sizilien oder dem Friaul. In früheren Tagen strebte die Lega eine völlige Abspaltung des Nordens an. Unter Matteo Salvini ist die rechtspopulistische Partei von diesem Gedanken aber abgerückt, nicht zuletzt wegen der Ambitionen des neuen Parteichefs, seinen politischen Einfluss auf ganz Italien auszuweiten.

Ziel des jetzt abgehaltenen Referendums war eine größere Steuerautonomie. Der Norden will das Geld in den eigenen Regionen behalten. Venetien fordert acht Milliarden Euro von den 18 bis 20 Milliarden Euro Steueraufkommen für sich, die Lombardei 24 von 54 Milliarden Euro.

Rom lehnt dies kategorisch ab. Artikel 116 und 117 der italienischen Verfassung, die die Autonomie einzelner Regionen betreffen, sehen zwar die regionale Verantwortung für Ordnung und Sicherheit, Bildung und Forschung, Betreiben der Kommunikationsnetze sowie Umwelt vor, nicht aber eine Steuerautonomie. So reagierte Landwirtschaftsminister Maurizio Martina im Namen der Zentralregierung in Rom: »Steuerangelegenheiten sind und werden kein Gegenstand von Verhandlungen mit den Regionen Lombardei und Venetien sein.« Barsch kam die Zurückweisung Zaias: »Martina soll sich um die Landwirtschaft kümmern, unser Gesprächspartner ist der Ministerpräsident.« Doch dürfte Regierungschef Paolo Gentiloni kaum eine andere Position einnehmen .

Immerhin sendet die Volksbefragung ein nicht zu unterschätzendes politisches Signal nach Rom. In den Nordregionen wird ein Drittel des italienischen Wirtschaftsaufkommens produziert, hier lebt ein Viertel der Landesbevölkerung. Wenn die Lega beim Referendum eine solche Zustimmung erfährt, könnte dies auch ein Signal für die im kommenden Frühjahr zu erwartenden Parlamentswahlen sein. Matteo Renzi und seine Demokratische Partei dürften mit dem Ausgang des Referendums einen Warnschuss erhalten haben. Mitte-Rechts könnte nach diesem Wochenende Auftrieb erhalten.

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