Attac fordert »neue Wege für Europa«
Globalisierungskritisches Netzwerk möchte internationale Politik zum Schwerpunkt der Arbeit im kommenden Jahr machen
Das globalisierungskritische Netzwerk Attac plant für Herbst 2018 einen großen bundesweiten Europakongress. Dies ist das Ergebnis des Herbstratschlags, zu dem Aktivisten aus dem gesamten Bundesgebiet am Wochenende nach Frankfurt am Main gekommen waren. »Mit dem Kongress wollen wir nicht nur unsere Kritik an der neoliberalen Politik in Europa und insbesondere in der EU formulieren, sondern auch unsere Vision von einem demokratischen, sozialen, ökologischen und friedlichen Gesamteuropa stark machen«, sagte Margareta Steinrücke von der Vorbereitungsgruppe des Kongresses.
Laut Attac sollen bei der geplanten Veranstaltung kontroverse Positionen zur EU und unterschiedliche europapolitische Strömungen benannt und gleichzeitig verbindende Inhalte der verschiedenen Bewegungen in den Fokus gerückt werden. So könnten »Schnittstellen für das gemeinsame Projekt Europa sichtbar gemacht werden«, hofft Thomas Eberhardt-Köster aus dem Attac-Koordinierungskreis. Neben Ansätzen wie etwa der »solidarischen Landwirtschaft« solle der Kongress auch »die bestehenden Institutionen auf ihr emanzipatorisches Potenzial hin überprüfen«. Es werde darauf ankommen, bei aller Unterschiedlichkeit so praxisnah wie möglich einen gemeinsamen Nenner für Aktionen und Kampagnen zu finden.
»Kritik bleibt stumpf und Visionen helfen wenig, wenn es keine Strategie zur Transformation der politischen Institutionen und keine konkreten Projekte zu ihrer Durchsetzung gibt«, sagte Eberhardt-Köster.
Der Attac-Aktivist zeigte sich zuversichtlich, dass aus dem Kongress folgende Kampagnen auch auf den Wahlkampf für das EU-Parlament 2019 ausstrahlen könnten. Zur Vorbereitung des Treffens sollen in den Attac-Regionalgruppen Themen wie Freihandelsabkommen, Klimagerechtigkeit, Finanzmarktregulierung oder Steuertricks globaler Konzerne diskutiert werden.
Zur Einstimmung auf das Konzept Europa hatte das Netzwerk den Schriftsteller, Politikwissenschaftler Raul Zelik in der Auftaktveranstaltung über »Selbstorganisation, Alternativen und Perspektiven jenseits der Institutionen« referieren lassen. »Wenn die Menschen merken, dass die Realität der Medien nicht mit ihrer Lebenswirklichkeit übereinstimmt, kann es sehr schnell gehen«, sagte Zelik.
In seinen Ausführungen warb der Schriftsteller unter anderem für eine solidarische Begleitung der aktuellen katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. »Vor 15 Jahren waren in Katalonien nur zehn Prozent für Unabhängigkeit. Aber die Leute sind frustriert, weil Madrid ihre demokratischen und sozialen Reformforderungen ignoriert.« Die eindrucksvolle Demokratiebewegung für eine fortschrittliche Republik mit der massenhaften Mobilisierung bisher passiver Menschen sei eine große Ermächtigung der Bevölkerung und könne weit über Katalonien hinaus ausstrahlen. So propagiere etwa die südspanische Landarbeitergewerkschaft eine Republik Andalusien und eine Konföderation freier Republiken in Europa.
Versuche der Madrider Regierung, die Bewegung mit Polizei und Militär zu stoppen und mit Hilfe der EU zu erpressen wie auszuhungern, könnten zur Revolte führen und eine »riesige Krise in Europa auslösen«. Natürlich sei der Ausgang jeder beginnenden Massenbewegung immer unklar, aber »wenn die Masse auf der Straße ist, sollten wir erst mal dabei sein und zuhören« so Zelik, der auch Mitglied im LINKE-Parteivorstand ist.
Ein weiteres Thema des Ratschlags war die Bündnisarbeit von Attac bei den Protesten und Gegenveranstaltungen während des Hamburger G20-Gipfels im Juli. »Unser Einsatz hat sich gelohnt«, lautete das überwiegende Fazit der Versammlung. Attac habe sich in seiner »Scharnierfunktion zwischen radikalen und reformistischen Teilen der Bewegung« bewährt und zum Erfolg der Großdemonstration am 8. Juli beigetragen.
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