Weggeworfenes ist nicht weg

Zwölf Millionen Tonnen Plastikmüll landen jährlich weltweit in den Ozeanen

  • Michael Lenz
  • Lesedauer: 4 Min.

Einkauf in einem Supermarkt in Bangkok: Duschgel, Zahncreme, ein Steak, Bananen und eine Mango. Das Ergebnis sind vier Plastiktüten. Die Kosmetikartikel kommen in eine Tüte, das schon in Plastik abgepackte Steak in die nächste, die dritte ist für das Obst in seiner natürlichen Verpackung, Schale genannt. Alles zusammen steckt die nett lächelnde Kassiererin dann in eine große Plastiktüte. Asiaten lieben Plastik, ein Material, dass in den aufsteigenden Volkswirtschaften ein Symbol für Fortschritt ist.

Der Plastikmüll landet in Bächen, Flüssen, Kanälen und letztlich im Meer. Greenpeace Philippinen hat die Probe aufs Exempel gemacht. Bei einer einwöchigen Aufräumaktion im vergangenen September am Strand der Freedom Insel in der total verdreckten Bucht von Manila haben die Aktivisten 54 000 Plastikmüllstücke eingesammelt. Styropor war darunter, auch Schuhe, aber das meiste waren Einwegplastikstücke wie Beutel, Flaschen und Strohhalme.

Der mit Abstand häufigste Plastikmüll bei der Strandsäuberungsaktion waren Sachets, also Tütchen zur portionsweisen Verpackung schnelllebiger Konsumgüter wie Nescafé, Zahncreme oder Kochöl. Die wirtschaftlich schnell wachsenden Entwicklungs- und Schwellenländer Asiens haben schon den Ruf der »Tütchen-Volkswirtschaften« weg.

Greenpeace hat die Übeltäter für den Müll ausgemacht: die internationalen Nahrungsmittel- und Kosmetikkonzerne. Allein 9000 Plastikmüllverpackungen vom Strand der Freedom Insel stammten von Nestle, andere von Unilever, Procter & Gamble oder dem indonesischen Konzern PT Torabika Mayora. Diese sind allein auf den Philippinen für 1,88 Millionen Tonnen Plastikmüll verantwortlich. »Es ist Zeit, dass diese Unternehmen ihre bisherige Geschäftspraxis aufgeben und ihre Ressourcen zur Entwicklung innovativer Verpackungen und Verkaufsstrategien nutzen«, fordert Abigail Aguilar, Umwelt- und Plastikexpertin von Greenpeace Philippinen.

In der Studie von Greenpeace Philippinen bleiben aber die Konsumenten, die Tütchen und Strohhalme lieben, die möglichst viele Plastiktüten als tollen Service der Supermärkte begreifen und ihr Plastik wegwerfen als gebe es kein Morgen, unerwähnt. »Das wurde in vielen Kommentaren zu unserer Untersuchung angeführt«, gibt Aguilar zu. »Es stimmt, dass Aufklärung der Verbraucher der Schlüssel ist, und das nicht nur als Mahnung ›nichts wegwerfen‹. Das muss schon früher ansetzen durch das ›Training‹ von uns allen, an den Verkaufstheken so weit wie möglich Einmalplastikverpackungen abzulehnen.« Aber letztlich seien die Unternehmen das »fehlende Glied in der Saga der Umweltverschmutzung durch Plastik«.

Plastik ist ein sehr großes Umweltübel. Vor allem in den asiatischen Ländern wie den Philippinen mit ihren endlos langen Küsten landet Plastik über Bäche, Flüsse und Kanäle im Meer. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass weltweit zwölf Millionen Tonnen Plastik ins Meer geschwemmt werden - pro Jahr. Das entspricht einer Lkw-Ladung Plastik pro Minute. Lediglich neun Prozent dieses Plastiks wurden recycelt. Der Rest landete auf Mülldeponien, im Meer oder wurde verbrannt. Jede einzige dieser »Lösungen« ist schädlich für Umwelt und Gesundheit.

Der Plastikmüll gefährdet Seevögel, Meeressäuger und Schildkröten, die ihn verschlucken. Er wird in einem langsamen Prozess schließlich zu winzigen Partikeln zerrieben, die von Fischen gefressen werden. So gelangen unsichtbare Plastikreste schließlich auch auf unsere Teller. Plastikmüll tötet laut der UNESCO alleine mehr als eine Million Seevögel und 100 000 Meeressäugetiere pro Jahr.

Plastik wird weggeworfen. Aus den Augen aus dem Sinn. Aber wenn der heftige Monsunregen in den asiatischen Ländern niederprasselt, taucht das Plastik (und anderer Müll) wieder aus der Versenkung auf, wie vor kurzem in Thailand zu sehen. Teile von Bangkok standen nach Wolkenbrüchen unter Wasser. Eine Ursache waren einmal mehr die mit Müll und Unrat verstopften Kanäle und Abwasserrohre, die die Regenmengen nicht mehr aufnehmen konnten. Ein Stück weiter im Urlaubsparadies Pattaya glichen die Strände Müllkippen. Das von Stürmen aufgepeitschte Meer hatte Plastikmüll, der sonst für Urlauber unsichtbar weiter draußen dümpelt, ans Ufer gespült. Abigail Aguilar sagt schlicht: »Wenn wir etwas wegwerfen, ist es nicht weg.«

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