Das Volk will mehr Lehrer

Sachsen-Anhalt: Die Unterschriften von fast 80 000 Menschen beschäftigen den Landtag

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Mangel an Disziplin im Landtag von Sachsen-Anhalt irritiert den Chef aller Eltern im Bundesland. Kaum ist Thomas Jaeger an das Rednerpult getreten, hält der Vorsitzende des Landeselternrates inne - und beklagt sich auf Frage der Präsidentin über die vielen in ihre Handys vertieften Abgeordneten. Unschönes Verhalten in einem denkwürdigen Moment, denn nicht alle Tage schafft es eine Volksinitiative, sich das Rederecht im Parlament zu erstreiten.

Der Initiative »Den Mangel beenden« ist das gelungen. Beinahe 80 000 gültige Unterschriften sammelte sie; schon 30 000 hätten gereicht, um ihrem Anliegen Gehör im Plenarsaal zu verschaffen. Das besteht in der Forderung an das Land, 1000 zusätzliche Lehrer sowie 400 pädagogische Mitarbeiter einzustellen, um die Unterrichtsversorgung im Land zu sichern. Derzeit ist die Lage katastrophal, sagt Jaeger, eine der fünf »Vertrauenspersonen« der Initiative. Es gebe umfangreiche Stundenausfälle und die »zeitweilige Schließung von ganzen Schulen«. Jaeger fragt rhetorisch, ob »die Schulpflicht auch einseitig existieren kann«. Neben Schülern und Eltern, sagt er, müsse auch das Land Hausaufgaben erledigen.

Zumindest mancher Landespolitiker meint, das Heft praktisch zuklappen zu können. Man habe »im Rahmen der rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten gehandelt«, sagt Angela Gorr, Schulexpertin der gemeinsam mit SPD und Grünen regierenden CDU: Seit Beginn der Wahlperiode im Sommer 2016 habe es 1000 Neueinstellungen gegeben, dazu eine zusätzliche Ausschreibung von Stellen im September 2017. Wenn alle davon besetzt würden, habe man ein Ziel des Koalitionsvertrages schon erreicht. Er sieht vor, bis ins Jahr 2021 14 500 Stellen neu zu schaffen.

Auch Bildungsminister Marko Tullner, ihr Parteifreund, sieht sich auf einem guten Weg - auch wenn man »über das Tempo streiten« könne. Die oppositionelle LINKE, von der die Volksinitiative unterstützt wurde, spricht von »Schneckentempo« und fordert flotteres Handeln. Wenn das für 2021 anvisierte Ziel schon im Etat für 2017 verankert worden wäre, hätte die Koalition die Forderung der Initiative »zu etwa 80 Prozent schon erfüllt«, sagte Thomas Lippmann, der designierte neue Fraktionsvorsitzende und Ex-Chef der Gewerkschaft GEW, die gemeinsam mit Eltern und Schülern zu den maßgeblichen Kräften hinter der Volksinitiative gehört. Lippmann warf der Regierung vor, mit ihrer Personalpolitik »auf dem Holzweg« zu sein; die Volksinitiative sei »der einzige Weg« gewesen, um das deutlich zu machen.

Die Koalitionspartner der CDU unterstützten das Anliegen der Initiative. Die SPD räumte ein, den Mangel selbst mit versursacht zu haben: Angela Kolb-Janssen sprach von »überzogenem Spardruck«, der teils »über das Ziel hinausgeschossen« sei. Bis 2016 stellte die SPD die Minister für Finanzen und Kultus. Wolfgang Aldag (Grüne) forderte indirekt Nachbesserungen im Koalitionsvertrag: Die dort verankerte Zahl der Neueinstellungen müsse man an steigende Schülerzahlen anpassen und dürfe nicht nur »vom Finanzminister vorgegebene Ziele« im Auge behalten.

Für einen Eklat sorgte AfD-Mann Hans-Thomas Tillschneider, der den Vertretern der Volksinitiative »Populismus im schlechtesten Sinne« vorwarf. Dabei wird die direkte Demokratie in Sachsen-Anhalt bisher ohnehin äußerst selten praktiziert. Nach Angaben des Vereins »Mehr Demokratie« rangiert das Land im Bundesvergleich ganz hinten. In den zehn Jahren von 2007 bis 2016 gab es in ganz Deutschland 135 Volksinitiativen, -begehren und -entscheide. In Sachsen-Anhalt gab es genau einen Fall.

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