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»Die Mannschaft ist der Star«
Folge 124 der nd-Serie »Ostkurve«: Der Film über Turbine Potsdam erzählt auch die Geschichte von Bernd Schröder
Bernd Schröder. Das ist bei den meisten Menschen auch anderthalb Jahre nach dem Rücktritt der Trainerlegende noch immer der erste Gedanke, wenn über Turbine Potsdam gesprochen wird. Kein Wunder: Frauen spielen in Potsdam nur deshalb Fußball, weil der heute 75-Jährige sich dieser Sache 1971 annahm. Und all die vielen nationalen und internationalen Titel wurden in seiner 45-jährigen Amtszeit gewonnen. Sollte jemand einen Film über den 1. Frauenfußballclub Turbine Potsdam 71 e. V. drehen, dann wäre es unweigerlich auch ein Film über Bernd Schröder.
Klaus Schmutzer, Torsten Lüders und Rasmus Sievers haben es getan. Sie haben einen Dokumentarfilm über Turbine Potsdam gedreht. Fünf Jahre lang begleiteten sie den Klub: die Fußballerinnen beim Training, bei Spielen, in der Kabine, beim Lernen, auf der Arbeit; das Team hinter dem Team von der medizinischen Abteilung bis zur Kartenverkäuferin im Kassenhäuschen; Fans im Stadion und Zuhause; Sponsoren, Freunde und Förderer - und überall Bernd Schröder. Mitten im Film spricht der Trainer über sein sportliches Grundprinzip und sagt: »Die Mannschaft ist der Star.« So heißt auch der Film.
Der erste Drehtag war der 28. Mai 2012. Nach einem 8:0 gegen die Fußballerinnen von Lok Leipzig wird Turbine zum sechsten Mal Deutscher Meister. Abgesehen vom DFB-Hallenpokal blieb es der bislang letzte Titelgewinn. Im letzten Kapitel »Abschied und Ausblick«, ist Bernd Schröder ungefähr vier Jahre später zu sehen, wie er seine Sachen in den Kofferraum packt und sich schweren Schrittes vom Vereinsgelände schleppt. Ein paar Szenen zuvor hinterlässt er noch ein verbales Vermächtnis: »Man muss den Frauenfußball beschützen.« Vor der »Unkultur« des Männersports. Übersetzt: Geld, Lügen, Gewalt, Respekt- und Maßlosigkeit.
Die Idee zum Film hatten Klaus Schmutzer und Torsten Lüders. Beide studierten an der HFF »Konrad Wolf« in Potsdam Babelsberg. Schmutzer machte seinen Abschluss 1975 in Filmproduktion und ist schon lange Fan der Fußballerinnen. Lüders erhielt 2006 sein Diplom als Kameramann, ist in Potsdam geboren, spielte selbst zwei Jahre Fußball bei Turbine und hat 2010 durch den dramatischen Sieg der Potsdamer Fußballerinnen in der Champions League zum Verein zurückgefunden. Das Drehbuch, von dem es insgesamt 17 Fassungen gibt, haben beide zusammen geschrieben. Lüders führte dann Regie, Schmutzer leitete die Produktion.
Entstanden aus mehr als 80 Stunden Material ist ein Film, der das »System Turbine« - so heißt das erste Kapitel - in oft emotionalen Bildern erklärt und hintergründige Einblicke gibt. Die Brasilianerin Cristiane kam 2005 mit 19 Jahren nach Potsdam. Seitdem nennt sie Turbine »meine Familie« und Vereinspräsident Rolf Kutzmutz »meinen Vater«. Genoveva Añonma spielte von 2011 bis 2015 für Turbine. Rückblickend erzählt die Stürmerin aus Äquatorialguinea »von ihrer wichtigsten Zeit als Spielerin.«
Am kommenden Montag ist der 1. FFC Frankfurt zu Gast im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion. Dieser Verein war lange Zeit Erzfeind und härtester Gegner von Turbine. Und er war schon immer ein Gegenentwurf zum Potsdamer Klub. Frankfurt setzte auf Kommerzialisierung und konnte die besten Spielerinnen holen, auch Potsdamerinnen. Seit die großen Sponsoren weg sind und Vereine wie der VfL Wolfsburg und Bayern München die Entwicklung bestimmen, bleiben auch die großen Erfolge aus. Vergangene Saison wurden die Frankfurterinnen Fünfte - 13 Punkte hinter dem Dritten aus Potsdam.
Bei Turbine wurde schon immer der duale Weg gewählt. So erzählt Bernd Schröder im Film, dass ihn berufliche Erfolge ehemaliger Spielerinnen ebenso freuen wie Siege auf dem Fußballplatz. Und so sieht man im Film junge Mädchen in Turbine-Kleidung an der Sportschule Potsdam lernen. Oder Tabea Kemme: Aus dem Potsdamer Nachwuchs hat sie es bis zur Olympiasiegerin geschafft. Im Film zieht sie eine Waffe aus dem Spind: In der Polizeidienststelle Potsdam-Mitte konnte sie dank der Sportförderung Brandenburg mittlerweile ihre Ausbildung zur Kriminalhauptkommissarin abschließen. Auch Fußball und Studium passen bei Turbine bestens zusammen. »Ein einzigartiges Umfeld«, findet Nationalspielerin Anja Mittag.
Meist sachlich und auch ernst wird es im Film, wenn Bernd Schröder ins Bild kommt. Zwar machte er seine Arbeit immer ehrenamtlich, aber nie nur zum Spaß. Als »Leistungssport« sieht er den Fußball bei Turbine seit 1971 und verlangt »Leidensfähigkeit« von seinen Spielerinnen. Für Patricia Hanebeck kann man im Film schon fast Mitleid empfingen. Trotz größter Anstrengungen beim Krafttraining in der Halle steht der Trainer hinter ihr und ruft, dass Durchmogeln keinem helfe. Aber: »Auf Schröder lasse ich nichts kommen«, sagt Conny Pohlers, die wie viele ehemalige Potsdamer Spielerinnen zu Wort kommt.
Den Trainer und Mensch Bernd Schröder beschreibt Spielführerin Lia Wälti. Er sei nie zufrieden, auch nach guten Spielen nicht. »Aber wenn er dann mal lobt, weißt du, dass du es wirklich gut gemacht hast«, erzählt die Schweizerin. Und sie hat ihren Trainer auch schon weinen sehen, nach einem Sieg gegen Olympique Lyon.
Am Donnerstag stand Rolf Kutzmutz auf der Bühne im Kino Toni. In Weißensee feierte der Film »Berlin-Premiere«. »Turbine ist Bernds zweiter Vorname«, beschrieb der Präsident die Bedeutung Schröders für den Klub. Das gilt auch für den Film. Nicht nur die Finanzierung bereitete Schwierigkeiten, auch im Verein selbst wollte nicht jeder das Projekt unterstützen. Aber das Wort Bernd Schröders zählt. Und der sagte: »Wir machen den Film«, berichtet Produzent Klaus Schmutzer. Dabei war auch der Trainer anfangs skeptisch. »Hier waren schon viele Produzenten, die was machen wollten, die haben mir aber nur Schwachsinn erzählt«, erinnert sich Schmutzer an das erste Gespräch mit Schröder. Zehn Minuten gab er ihm zur Vorstellung der Idee. Daraus wurden drei Stunden. Und ein Film, der mit aktuellen Bildern den Verein Turbine Potsdam näher bringt und mit Archivaufnahmen von der DDR-Bestenermittlung oder Trainingsszenen an den damaligen Zeitgeist in der Mode und im Spiel erinnert. Wer all das sehen will, kann sich auf die bald erscheinende DVD freuen oder auf den nächsten Kinotermin am 13. Dezember im Filmmuseum Potsdam.
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