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Das Letzte aus Merkels Kabinett
Konzept einer »Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit« in der EU-Verteidigungspolitik ist auf den Weg gebracht
Eines ist bei den Jamaika-Sondierungen von Anfang an klar. Man will mehr EU und die soll effektiver zusammenarbeiten, denn: »Deutschland kann es nur gutgehen, wenn es Europa gutgeht,« wie es in einem Papier der Verhandler heißt. Doch über Bekenntnisse hinaus gibt es tatsächlich wenig Gemeinsamkeiten. Bereits in der Türkei-Frage streben die Ansichten von CDU, CSU, FDP und Grünen auseinander. Geschlossener ist man nur in der Forderung, den Stabilitätspakt strikter anzuwenden und den Fiskalpakt in EU-Recht zu überführen. Schon bei der Frage nach einem Euro-Zonen-Budget scheinen die Positionen unvereinbar. Die FDP und Teile der CDU wollen das in Paris entworfene Konzept am liebsten in den Papierkorb werfen. Jamaika gibt derzeit nicht das Bild eines Partners ab, den sich der tatkräftig fortschreitende französische Präsident Emmanuel Macron für die kommenden vier Jahre wünscht.
Bei den Sondierungsgesprächen wird man deshalb hervorheben, was Deutschland und Frankreich ohnehin verbindet. Dabei bietet sich die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) an. Zwar ist man noch weit von inhaltlicher Klarheit entfernt, welche gemeinsamen Werte man denn wo und wie zu verteidigen gedenkt, doch eines erleichtert die Sondierung erheblich: Tatsachen sind bereits geschaffen worden; die scheidende Bundesregierung hat in ihrer allerletzten Kabinettssitzung die Vertiefung der GASP schon beschlossen.
Bereits jetzt gibt es eine Reihe praktischer EU-Aktivitäten in der Verteidigungspolitik. Militäreinsätze in der Sahelzone und im Mittelmeer belegen das. Was noch eine Ausnahme ist, könnte bald zur Regel werden. Man strebt gemeinsame Rüstungsplanungen, eine gemeinsame Terrorismusbekämpfung und militärische Planungs- und Führungsfähigkeit an.
Die Idee war 2002 geboren worden, als die Außenminister Deutschlands und Frankreichs, Joschka Fischer (Grüne) und Dominique de Villepin im damaligen Europäischen Konvent ihren Willen, europäische Verteidigungspolitik zu betreiben, verkündeten. Lange blieb die EU-Kooperation bloß eine Vision. Inzwischen jedoch erscheint mehr Einigkeit aus Regierungssicht notwendiger denn je. Die Legitimationskrise der europäischen Gemeinschaft, die zunehmende Unberechenbarkeit der US-Außenpolitik und der Ausstieg Großbritanniens aus der EU zwingen zu Fortschritten im Sinne des 2007 geschlossenen Lissabon-Vertrages. Gerade in einer Zeit zunehmender Terrorgefahr, in der Migration und Klimawandel gravierende Veränderungen bringen, will die EU mehr Integration erreichen. Die Achse zwischen Deutschland und Frankreich zeigt allerdings, dass sich nun auch in Verteidigungsfragen ein Europa der zwei Geschwindigkeiten herausbildet.
Die Bundesregierung will das Erreichte gegen Veränderungen absichern. Deshalb der jüngste Kabinettsbeschluss. Was immer bei den Jamaika-Verhandlungen verabredet wird, die Gleise zu einer vertieften Kooperation von Militärs und Rüstungsindustrie sind schon gelegt. Auf der Kabinettssitzung der amtierenden Bundesregierung am 18. Oktober standen die »Eckpunkte zur deutschen Beteiligung an einer Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (SSZ) - Permanent Structured Cooperation (PESCO)« - auf der Tagesordnung. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) und die Chefin des Verteidigungsressorts Ursula von der Leyen (CDU) gaben die Vorlage. Die erreichte kaum die Öffentlichkeit, denn die Medien berichteten lediglich, dass das Parlament um die Mandatsverlängerung für sieben Auslandseinsätzen der Bundeswehr gebeten wurde.
Dabei verdient die Vorlage einen genauen Blick: Die »Ständige Strukturierte Zusammenarbeit« bietet interessierten EU-Staaten die Möglichkeit, ihre nationalen Fähigkeiten für Militärmissionen durch die Kraft anderer Staaten auszubauen. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach in der Bundespressekonferenz von »eigenständigen Krisenmanagementfähigkeiten« der EU. Man koordiniert demnächst also die Verteidigungsausgaben, knüpft Kooperationen bei der Entwicklung von Fähigkeiten, man organisiert die gemeinsame Verlegung von multilateralen Truppenverbänden, schließt durch Absprachen sogenannte Fähigkeitslücken und verabredet - via Europäische Verteidigungsagentur - große Beschaffungsvorhaben für Rüstungsgüter.
Die Mittel, die die Staaten für Sicherheit und Verteidigung zur Verfügung stellen, sollen effizienter ausgegeben werden, betont die Bundesregierung. Darauf haben Deutschland und Frankreich gemeinsam mit Italien und Spanien hingearbeitet, hört man. Die EU gerate dabei mit der NATO nicht in Konkurrenz. Im Gegenteil, heißt es, die EU werde so erst »zu einem relevanten Partner für die NATO«.
Das Verfahren, um neue Länder in die »Strukturierte Ständige Zusammenarbeit« einzubinden, ist einfach. Interessierte Mitgliedstaaten müssen ihre Absicht zur Kooperation gegenüber dem EU-Rat und der »EU-Außenministerin« Federica Mogherini anzeigen. Dann ergeht mit qualifizierter Mehrheit ein Ratsbeschluss. Dem Vernehmen nach haben bereits mehr als die Hälfte der EU-Mitgliedstaaten Interesse an der »Ständige Strukturierte Zusammenarbeit« bekundet.
Wie der Bundestag an der Zusammenarbeit beteiligt wird, ist unbekannt. Es ist eine Frage, die die Opposition dringend stellen sollte, die mit SPD-Mann Sigmar Gabriel ja nun einen profunden Insider in ihren Reihen weiß. Interessant ist auch, wie die Grünen, die bislang beispielsweise gegen Militärausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestritten haben, die Kröte »Ständige Strukturierte Zusammenarbeit« schlucken. Die Koalitionsverhandlungen werden darüber Auskunft geben.
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