Bayern versucht den großen Sprung

Die Regierung in München will bis 2022 drei Milliarden Euro einsetzen, um die Digitalisierung voranzutreiben - die Opposition ist unzufrieden

  • Johannes Hartl
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf dem Weg zur umfassenden Digitalisierung hat Bayern eine weitere Hürde genommen. In ihrer Kabinettssitzung hat die Staatsregierung jüngst ein detailliertes Maßnahmenpaket präsentiert, wie der vorliegende Plan Bayern Digital II umgesetzt werden soll. Unter diesem Titel firmiert ein beachtliches Investitionsprogramm für die Jahre 2018 bis 2022, das mit rund drei Milliarden Euro finanziert wird. Es schließt an das Vorgängerprogramm Bayern Digital I an, das von 2015 bis 2018 läuft, und umfasst praktisch sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens - von der Innenpolitik bis zur Gesundheits- und Bildungspolitik. Seine Zielsetzung ist entsprechend ambitioniert. »Der Freistaat nutzt die Chancen und Möglichkeiten des Technologiesprungs, der sich in unserem digitalen Zeitalter bietet«, sagte Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU), seines Zeichens Koordinator der von der Regierung erklärten Digitalisierungsoffensive. Einen besonderen Stellenwert werden dabei das Bildungsressort, das Innenressort, das Sozialressort, das Verbraucherschutzressort sowie das Gesundheitsressort einnehmen. Insgesamt sollen in diesen Bereichen 2000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, die für die fachgerechte Umsetzung der Digitalisierung nötig sind.

Mit den einzelnen Maßnahmen soll Bayern langfristig zukunftsfähiger gestaltet werden, um optimal auf eine digitalisierte Gesellschaft und deren Herausforderungen vorbereitet zu sein. Folgerichtig nimmt die Bildung eine zentrale Rolle in dem Programm ein - gewissermaßen als Versuch, proaktiv tätig zu werden. Durch eine »Fortbildungsoffensive« für Lehrkräfte und einen ausgebauten Informatikunterricht in den weiterführenden Schulen wolle man den Anforderungen in diesem Bereich Rechnung tragen. Zudem werden an den bayerischen Hochschulen eigene Kompetenzzentren eingerichtet, die sich mit dem digitalen Lernen und Lehren beschäftigen sollen.

Auch die Polizei muss sich verstärkt auf die Digitalisierung einstellen. Im Rahmen des Maßnahmenpakets sollen unter anderem deren IT-Systeme besser gesichert, die digitale Aus- und Fortbildung gestärkt sowie ein eigener Messenger-Dienst eingeführt werden, der eine gesicherte Kommunikation ermöglicht. Von besonderer Bedeutung sind darüber hinaus die »Cyberkommissariate«, denen die Bekämpfung der Kriminalität im World Wide Web obliegt. Eine eigene Online-Wache, wie sie in eigenen Bundesländern existiert, um bestimmte Straftaten anzuzeigen, ist im Paket jedoch nicht vorgesehen.

Gleichzeitig sollen die Bürger von einer verbesserten digitalen Kommunikation mit den Behörden profitieren. Neben dem Innenministerium benennt vor allem das Sozialministerium den »Ausbau digitaler Verwaltungsleistungen« als wichtiges Ziel, das mit den verfügbaren Mitteln realisiert werde. Außerdem sollen im Bereich der Gesundheitspolitik eine Reihe von Maßnahmen eingeführt werden, die die Versorgung der Menschen stärken sollen. Als Beispiele nennt das Ministerium unter anderem die »Gesundheitsakte Digital« - ein Projekt, das eine bessere Vernetzung bei der Behandlung anstrebt. Über eine digitale Akte, die die Betroffenen dauerhaft begleitet, soll es den Fachärzten möglich werden, ihre Behandlungen aufeinander abzustimmen. Das Vorhaben soll zunächst als Modellprojekt im Raum Nürnberg getestet werden.

Doch das Maßnahmenpaket stößt nicht überall auf Begeisterung. In der SPD-Fraktion begrüßt man zwar das grundsätzliche Unterfangen als Schritt in die »richtige Richtung«, kritisiert die Umsetzung aber als nicht ausreichend. »Der Masterplan Bayern Digital I und II bedeutet lediglich kleine Trippelschritte«, sagt die Wirtschaftspolitikerin Annette Karl. »Die digitale Zukunft 4.0 stelle ich mir anders vor. Ich vermisse eine echte Vision.« Für Karl könnten skandinavische und baltische Staaten als Vorbild dienen, wie eine wirkungsvolle Digitalisierung umgesetzt werden kann.

Die Grünen bemängeln zudem methodische Schwächen im vorgelegten Konzept. »Der sogenannte Masterplan erinnert eher an eine mäßig gelungene Bachelorarbeit ohne den wichtigen Unterbau der Recherche«, sagt deren netzpolitische Sprecherin Verena Osgyan. Sie spricht sich für einen »bayernweiten Digitalisierungsatlas« aus, »der den Status quo und die Mängel in den einzelnen Bereichen auflistet«. »Ohne diese Grundlagenarbeit sage ich jetzt schon voraus«, so Osgyan, »dass viele Euros am Ende doppelt ausgegeben werden.«

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