- Wirtschaft und Umwelt
- Jugendarbeitslosigkeit in Europa
Lieber Studienplatz als Job suchen
Vor allem in den einstigen Krisenländern sind viele Jugendliche noch ohne Arbeit
Wenig ist von der Eurokrise noch zu hören. Schließlich wächst die Wirtschaft in der Eurozone wieder. Zuletzt legte das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,5 Prozent zu. Aber die Jugendlichen in Europa spüren die Auswirkungen der Krise noch immer. Jede sechste Erwerbsperson im Alter von 15 bis 24 Jahren ist in der EU arbeitslos, stellt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer am Donnerstag veröffentlichten Studie fest. Demnach ist die Jugendarbeitslosigkeit 2,5-mal so hoch wie die übrige Arbeitslosigkeit. In den einstigen Epizentren der Eurokrise Italien, Spanien und Griechenland sind noch immer 34,2 Prozent, 39,5 Prozent beziehungsweise 43,8 Prozent der Jugendlichen ohne Job.
So hoch die Zahlen noch sind, zumindest in Spanien und Griechenland sind sie in den vergangenen vier Jahren stark gesunken. So betrug die Jugendarbeitslosigkeit Mitte 2013 dort sogar 56 beziehungsweise 59,2 Prozent. Europaweit ist die Arbeitslosenrate unter den Jugendlichen im selben Zeitraum von 23,5 auf 16,9 Prozent zurückgegangen.
Doch die Jobs, die für die Jugendlichen geschaffen wurden, sind meist nicht besonders gut. Über 40 Prozent sind lediglich Teilzeitstellen. »In Deutschland, Italien und Frankreich hat unter den Jugendlichen in den letzten vier Jahren sogar nur die Zahl der Teilzeitbeschäftigten zugenommen, während die der Vollzeitbeschäftigten zurückging oder, wie im Falle Frankreichs, stagnierte«, heißt es in der DIW-Studie. Auch stieg der Anteil der befristeten Arbeitsverträge unter Europas Jugend seit 2013 von 41,8 auf 44 Prozent. Zum Vergleich: Bei den Erwerbstätigen über 25 Jahren nahm er nur von 10,8 auf 11,5 Prozent zu. Gleichzeitig stagnierte bei ihnen der Anteil der Teilzeitbeschäftigten bei knapp unter 20 Prozent.
Zum Teil lässt sich der Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit auf die gute Konjunktur zurückführen. Versprechen wie die sogenannte Jugendgarantie hingegen, die jedem arbeitslosen Jugendlichen innerhalb von vier Monaten eine Beschäftigungsstelle oder eine Qualifizierungsmöglichkeit verschaffen sollte, haben Studienautor Karl Brenke zufolge nur wenig gebracht: »Wir können vielmehr feststellen, dass die Hälfte aller arbeitslosen Jugendlichen in der EU schon länger als sechs Monate arbeitslos ist«, so der DIW-Arbeitsmarktexperte.
Stattdessen gibt es in Europa vor allem auch deshalb weniger Jugendarbeitslosigkeit, weil es schlicht weniger Jugendliche gibt, die Arbeit suchen. Laut Brenke ist dies zum einen eine Folge der allgemeinen demografischen Entwicklung. So gibt es heute in der EU knapp 1,9 Millionen Jugendliche weniger als noch vor vier Jahren. Zum anderen ist unter den Jugendlichen entgegen der Entwicklung in der übrigen Bevölkerung auch die sogenannte Erwerbsquote gesunken. Das heißt, immer weniger Jugendliche wollen arbeiten.
Stattdessen investieren sie mehr Zeit in die Bildung. In Deutschland zum Beispiel, wo es im EU-Vergleich relativ wenige arbeitslose Jugendliche gibt, liegt dies daran, dass mehr Schüler Abitur machen und studieren. In anderen Ländern kann dies aber auch eine Folge der Krise sein. So habe man in Spanien sehr deutlich sehen können, meint Brenke, dass viele Jugendliche aufgrund der schlechten Arbeitsmarktsituation jetzt lieber studieren würden, als nach einem Job zu suchen.
Dass es für Jugendliche so schwer ist, einen Job zu finden, liegt laut Brenke nicht an ihrer schlechten Qualifizierung. Die ist unter Jugendlichen genauso hoch wie in der übrigen Bevölkerung. Stattdessen fehlt es ihnen einfach an Referenzen und an in der Praxis erworbenen Kenntnissen: »Ältere Arbeitskräfte haben sie in ihrem Arbeitsleben sammeln können, Jugendliche konnten das dagegen nicht«, schreibt das DIW in seinem Fazit. Deshalb sei die Jugendarbeitslosigkeit in Ländern, wo es ein duales Ausbildungssystem gebe, auch nicht so hoch.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.