Geeint in der Kritik am Kapitalismus

Studie untersuchte Herkunft und Motivation der Teilnehmenden an den G20-Protesten in Hamburg

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Als im Sommer die Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg bevorstanden, war die Strategie der Sicherheitsbehörden und des rot-grünen Senates der Hansestadt klar. Um einen störungsfreien Ablauf des Treffens der Staats- und Regierungschefs zu ermöglichen, wurde versucht, einen Keil zwischen die verschiedenen Protestbündnisse zu treiben. Der Plan: Während die für den 2. Juli unter anderem vom Netzwerk Campact veranstaltete »Protestwelle« als legitime Form der Meinungsäußerung dargestellt wurde, bekamen viele der nachfolgenden Demonstrationen, insbesondere die linksradikale »Welcome to hell« wie auch der Abschlussprotest von »Grenzenlose Solidarität statt G20!«, das Etikett einer vermeintlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit aufgedrückt. Der Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) etwa warnte vor »deutlich über 8000 Extremisten aus dem In- und Ausland«, die zu den Protesten anreisen würden, obwohl sich die Zahl später als völlig übertrieben herausstellte.

Doch eine Studie des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung (IPB) kommt nun zu dem Ergebnis: Die Teilnehmer_innen der unterschiedlichen Demonstrationen waren sich sowohl in ihren Zielen als auch in der Frage nach legitimen Protestformen weitestgehend einig. Für ihre Analyse befragten die Forscher insgesamt 1095 Personen, die sich den Demonstrationen zum Auftakt (»Protestwelle«) und zum Ende (»Grenzenlose Solidarität«) der Gipfelwoche angeschlossen hatten. In beiden Fällen seien die Proteste »wesentlich von protesterfahrenen Teilnehmenden geprägt« gewesen, die »sich eindeutig links verorten« ließen und »über einen hohen formalen Bildungsstatus« verfügen.

Auch inhaltlich herrschte Übereinstimmung: Während 75 Prozent der befragten Teilnehmenden der Proteste am 8. Juli das Ziel erklärten, der Kapitalismus müsse überwunden werden, war es bei der als »moderat und bürgerlich« eingestuften »Protestwelle« immerhin jeder Zweite. Auch eine Kritik an Kolonialismus und Imperialismus bewegte bei beiden Demonstrationen jeweils mehr als ein Viertel der Befragten.

Große Unterschiede bestanden laut Studie weniger zwischen den Demonstrierenden, sondern eher in der Wahrnehmung der Sicherheitsbehörden. Während am 2. Juli acht von zehn Befragten die Polizei »als gar nicht oder wenig aggressiv« einschätzten, waren eine Woche später 45 Prozent der Überzeugung, die Beamten seien »stark oder sehr stark aggressiv« aufgetreten. Diese Einschätzung überrascht nicht, auch wenn die Autor_innen zu dem Schluss kommen, dass diese Wahrnehmung weniger mit dem Auftreten der Polizei während der »Grenzenlose Solidarität«-Demo an sich zu tun hat, da sich die Beamten nach Ansicht der Forscher »mehrheitlich im Hintergrund« hielten, als vielmehr mit den Ereignissen in den Tagen zuvor. Insbesondere während des Protestmarsches des »Welcome to hell«-Bündnisses sei das polizeiliche Auftreten von »demonstrativer Stärke und sehr niedrigen Eingriffsschwellen geprägt« gewesen. Zur Entspannung der chaotischen Situation nach der Zerschlagung der autonomen Demonstration habe weniger die Strategie der Sicherheitskräfte, sondern eher die spontan angemeldete Ersatzdemonstration gegen Polizeigewalt beigetragen.

Apropos Gewalt und Militanz: Vonseiten der Demonstrierenden wurden Sitzblockaden mehrheitlich als legitimes Mittel eingestuft. 80 Prozent der Teilnehmenden von »Grenzenlose Solidarität« sehen dies so, und selbst aufseiten der vermeintlich bürgerlichen »Protestwelle« stimmten sechs von zehn Befragten dieser Aussage zu.

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