Inter-wer, wie, was?

Männlich/weiblich? Sowohl als auch und weder noch: Intersexuelle Menschen stehen außerhalb der binären Geschlechterordnung

  • Lesedauer: 3 Min.

Der Begriff Intersexualität bezeichnet biologische Besonderheiten bei der Geschlechtsdifferenzierung. Intersexuelle Körper weisen deshalb Ähnlichkeiten mit beiden Geschlechtern, dem männlichen und dem weiblichen, auf. Dem Bundesverfassungsgericht zufolge leben bis zu 160.000 intersexuelle Menschen in Deutschland.

Das äußere geschlechtliches Erscheinungsbild von intergeschlechtlichen Menschen ist von Geburt an, hinsichtlich der Chromosomen, der Keimdrüsen und der Hormonproduktion nicht nur männlich oder nur weiblich, sondern eher eine Mischung aus beidem.

Intersexualität bezeichnet somit etwas anderes als Transsexualität. Transsexuelle Menschen sind in ihrem biologischen Geschlecht eindeutig bestimmt. Diese biologischen Männer oder Frauen fühlen sich aber der jeweils anderen Geschlechtsidentität zugehörig.

Intersexuelle Menschen sind allem voran eines: Menschen. Von der Medizin werden sie jedoch pathologisiert und als »Syndrom« bezeichnet, kritisiert der Verein Intersexueller Menschen: Der medizinische Fachbegriff für Intersexualität lautet »Disorders of sex development« (Störungen der Geschlechtsentwicklung, DSD).

Häufige Ursachen für Intersexualität oder auch sogenannte Zwischengeschlechtlichkeit sind Variationen im Chromosomensatz. Das weibliche Geschlecht wird bestimmt durch zwei X-Chromosomen, das männliche durch die Kombination von einem X- mit einem Y-Chromosom. Uneindeutig wird das Körpergeschlecht dagegen, wenn etwa nur ein einziges X-Chromosom vorhanden ist.

Zwischen medizinischen Fachbegriffen und Selbstdefinition

Menschen mit sogenannter kompletter Androgeninsensitivität (CAIS), auch sogenanntes Turner-Syndrom, besitzen einen XY-Chromosomensatz und bilden im Embryonalstadium männliche Geschlechtsmerkmale aus. Die körpereigenen Rezeptoren reagieren aber nicht auf die ausgeschütteten Androgene und der Körper entwickelt sich äußerlich weiblich. Beim sogenannten Androgenitalen Syndrom (AGS) werden bei Embryos mit XX-Chromosomensatz von der Nebennierenrinde zu viele Androgene ausgeschüttet, was zu einer äußerlich männlichen Geschlechtsausprägung führt. Daneben sind auch Variationen bei Geschlechtshormonen bekannt, die zu Intersexualität führen können.

Lange versuchten ÄrztInnen, intersexuelle Kinder einem Geschlecht zuzuordnen - meist dem weiblichen, weil dies operativ »leichter herzustellen« schien. Der Verein intersexueller Menschen verurteilt diese Eingriffe als Menschenrechtsverletzung. Er betont, dass die weit überwiegende Mehrzahl der intersexuellen Menschen nicht krank und behandlungsbedürftig sind.

Intersexuelle Menschen setzen sich laut dem Verein mit der geschlechtlichen Norm auseinander. Sie sehen sich mit der Aufgabe konfrontiert, ein eigenes Selbstverständnis zu finden, für das es in der Gesellschaft kein Vorbild gibt, weil die konventionellen Rollenvorstellungen von »Mann« und »Frau« zu kurz greifen.

Die Lebensqualität von Intersexuellen ist einer Stellungnahme des Deutschen Ethikrats aus dem Jahr 2012 zufolge im Alltag beeinträchtigt. »Diskriminierungs-, Benachteiligungs- und Ge- walterfahrungen« spielten dabei eine wichtige Rolle. Zudem kritisieren intergeschlechtliche Menschen eine fehlende gesellschaftliche Aufklärung und die Verwechslung mit Transsexualität, falsche medizinische Behandlung sowie Beleidigungen. Es werde auch bemängelt, dass intersexuelle Menschen keinen Minderheitenschutz in der Gesellschaft genössen und sich als schutz- und würdelos erlebten.

Seit 2013 kann bei Kindern mit uneindeutigem Geschlecht die Angabe im Geburtenregister offengelassen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat an diesem Mittwoch ein drittes Geschlecht für den Eintrag im Geburtenregister gefordert. Intersexuellen Menschen solle damit ermöglicht werden, ihre geschlechtliche Identität »positiv« eintragen zu lassen. Dem Gericht zufolge leben bis zu 160.000 intersexuelle Menschen in Deutschland. san/Agenturen

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -