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Zurück vom Mittags-Universum

»Das Helmi« schloss seine Strugatzki-Reihe ab und zeigt bei »No Limits« eine Koproduktion

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit Mut zur Ruhe begann und endete die Reihe des Helmi-Puppentheaters, mit der sich die Künstler fantastischer Werke der russischen Schriftsteller Arkadi und Boris Strugatzki annahmen. Was im April im Ballhaus Ost mit dem Aufbruch ins »Ja Ja Land« unter Regie von Brian Morrow begann, endete dort beim »Festival der Spinner« mit allen fünf Stücken der Reihe. Als letztes die Regiearbeit »Stalker« von Solène Garnier. Das Projekt war durchaus ein Experiment, denn die Arbeiten gingen weit über die von den Zuschauern erwartete Humorebene hinaus.

Doch sie wanderten neugierig mit auf dieser Reise in das fantastische Mittags-Universum der Dichter und wurden nicht enttäuscht. Bei »Stalker« ließ sich das Publikum sogar bereitwillig manipulieren. Es ließ sich verführen in die im Stück vorkommende Zone, in der sich vermeintlich innigste Wünsche erfüllen. Eine Sehnsucht nach Innehalten wurde hier von der Regisseurin freigelegt, wie es bereits bei »Ja Ja Land« geschah.

»Es ging uns darum, Utopien unabhängig vom Gesellschaftssystem zu hinterfragen, ihr Scheitern zu untersuchen«, sagte Florian Loycke nach der letzten Premiere. »Die Strugatzkis beschäftigten sich bei allem humoristischen Herangehen mit Werten, die es zu erhalten lohnt. Wenn auch mit der Theorie, dass möglicherweise längst Außerirdische Spuren auf unserer Welt hinterlassen haben. Darauf haben wir aufgebaut und den Faden auf unsere Art weitergesponnen«.

Die Reihe war so konzipiert, dass bei jeder der fünf Produktionen ein anderes Mitglied der Gruppe Regie führte. Florian Loyckes Stück »Kirschgarten« näherte sich am stärksten der Realität. Er erfand eine fantastische Maulwurfsfamilie, die mit Baggerbiss aus ihrem Zuhause vertrieben wird: »Ihr könnt im Container wohnen. Da ist es auch dunkel!«

Emir Tebatebai und Felix Loycke blieben in den Stücken »High on Emotions« und »Die dritte Zivilisation« völlig auf der fantastischen Ebene. Menschliches Miteinander und Versagen, aufeinanderprallende Gegensätze blieben jedoch in allen Produktionen bestimmend. Die Gruppe stellte sich bei diesem Projekt der Herausforderung, sich intern zu bewegen, wie es Florian Loycke nennt. Gewohnt, immer alle Produktionen demokratisch zu entwickeln, war es hier erforderlich, sich selbst zurückzunehmen und den Intentionen des jeweiligen Regisseurs zu folgen. Treu blieb die Gruppe dabei in der Wahl ihrer Mittel mit den Schaumstoffpuppen und anderen erdachten Gebilden.

Das Ensemble bleibt auf interessantem Weg. Beim internationalen Festival »No Limits« (9. - 18.11.) zeigt es seine gemeinsame Produktion mit dem Züricher Theater Hora: »Der Besuch der verknallten Dame«. Auf diese Dürrenmatt-Adaption zusammen mit dem einzigen professionellen Schweizer Theater, in dem Bühnenbegabte mit »geistiger Behinderung« spielen, ist das Helmi stolz.

Sollte im kommenden Jahr im Ballhaus Ost ein »Ball der Spinner« möglich werden, würde die Gruppe gern auch gemeinsam mit den Berliner Theatern Thikwa und Ramba Zamba Stücke entwickeln. Florian Loycke: »Es ist das Verschieben von sogenannten normalen Größen, das uns fasziniert. Wir halten es für wichtig, auf unserem künstlerischen Weg auf obskure Art die Wirklichkeit zu erschüttern.«

Zugang zur Theaterkunst ist seiner Meinung nach unkomplizierter als gemeinhin dargestellt. Die Fassung von »Hamlet und seine Geister«, die er als eine Art genehmigten Seitensprung von der Gruppe bezeichnet, weil er allein mit Dasniya Sommer spielt, zeigte »Das Helmi« auf einer Asien-Tournee. »Shakespeare war dort relativ unbekannt, und eine Altersbegrenzung gab es bei den Vorstellungen nicht. Aber alle erfassten, dass es kein Entrinnen gibt, wenn man sich wie Hamlet für einen Weg entscheidet.« Auch vor arabischen Kindern in Berlin hatte das Stück diesen Effekt.

15. November: »Der Besuch der verknallten Dame«; 19. und 20. Dezember: »Hamlet und seine Geister«, Ballhaus Ost, Pappelallee 15, Prenzlauer Berg

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