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Glücksfall Wohnheimplatz
In den vergangenen Jahren sind die Studierendenzahlen nach oben geschnellt - nicht aber das Wohnraumangebot
Die Wohnraumproblematik in deutschen Städten ist längst zu einem viel besprochenen Thema geworden. Gerade Geringverdienende werden häufig an den Rand der Stadt gedrängt, da die Wohnungspreise im Zentrum in die Höhe schießen. Auch die künftigen AkademikerInnen haben mit diesem Problem zu kämpfen. Fast drei Millionen Studierende waren im vergangenen Wintersemester an Hochschulen in Deutschland eingeschrieben. Gerade in den beliebten Universitätsstädten wie München, Berlin oder Frankfurt ist die Unterbringung so vieler Menschen, häufig zugezogener, eine große Herausforderung. Obwohl das Studium doch der Beginn der Selbstständigkeit und einer Zeit des Wissens sein soll, beginnt es häufig mit Stress, existenziellen Sorgen und in Notunterkünften.
»Die Mieten explodieren, das Angebot an bezahlbarem Wohnraum schrumpft«, fasst Petra Nau die zentralen Probleme knapp zusammen. Sie ist Ressortleiterin Wohnen bei den »Deutschen Studentenwerken« (DSW), Dachverband der Studenten- und Studierendenwerke in Deutschland, die unter anderem die Wohnheime an insgesamt 58 Hochschulstandorten betreiben. Dabei können sie aktuell insgesamt etwa 193 000 Wohnheimplätze anbieten, deren Mieten in der Regel deutlich unter den Preisen auf dem privaten Wohnungsmarkt der Städte liegen. Entsprechend groß ist der Andrang auf die viel zu wenigen verfügbaren Plätze. Leerstand gibt es momentan nicht.
Wie ausgelastet und gefragt die Wohnheime sind, zeigt die Länge der Wartelisten in verschiedenen Städten. So stehen in Köln über 1500 BewerberInnen auf der Warteliste, in Frankfurt am Main über 2000 und in München sogar mehr als 10 000. Es wird also offenbar mehr bezahlbarer Wohnraum benötigt. Doch schon für den Erhalt des vorhandenen sind die Werke auf öffentliche Zuschussförderung angewiesen. Diese Förderung müsste deutlich ausgebaut werden, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden. »Die Schere zwischen der Zahl der Studierenden und der Zahl der staatlich geförderten Wohnheimplätze geht immer weiter auseinander«, beklagt sich Nau. Einer seit 2008 um 43 Prozent gestiegenen Anzahl an Studierenden stehen im selben Zeitraum nur 6,8 Prozeht neu geschaffene Wohnheimplätze gegenüber. Um den abzusehenden Bedarf decken und die bisherigen Plätze erhalten zu können, rechnet Nau mit einem benötigten zusätzlichen Zuschussvolumen von insgesamt 1,45 Milliarden Euro.
Auch der »freie zusammenschluss von studentInnenschaften« (fzs), in dem nach eigenen Angaben bundesweit rund 90 Studierendenschaften mit etwa einer Million Studierenden organisiert sind, fordert kurzfristig eine Erhöhung der finanziellen Förderung der Studierendenwerke durch Bund und Länder. Außerdem den Neubau studentischen Wohnraums und ein kostenloses Notfallprogramm für Studierende, die zum Semesterstart noch ohne Bleibe sind.
Langfristig sei jedoch ein Umdenken nötig, meint fzs-Vorstandsmitglied Tobias Eisch. Für die sozialen Ausschlussmechanismen, die in der gesamten Stadtgesellschaft greifen, macht er die neoliberalen Verhältnisse verantwortlich. »Wir benötigen ein Verständnis von Wohnraum, das sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert und sich nicht nach seiner ökonomischen Verwertbarkeit ausrichtet.«
Was bedeutet die Wohnraumsituation also konkret für Studierende? Das Nachsehen haben zunächst die finanziell schlechter gestellten. Diese geben laut DSW monatlich fast die Hälfte ihrer Einnahmen für die Miete aus. Wer keinen der begehrten und knappen Wohnheimplätze ergattert, muss sich mit den hohen Mieten in der Stadt herumschlagen. Die 250-Euro-BAföG-Wohnpauschale wird dem in der Regel bei Weitem nicht gerecht. Wer nicht bereit ist, Leben und Studium dem benötigten Nebenjob hintanzustellen, muss einen großen Teil Selbstständigkeit aufgeben und bei den Eltern wohnen bleiben. Das bedeutet häufig auch lange Pendelwege.
Bis neuer Wohnraum geschaffen wird, sind viele Räder in Bewegung zu setzen, und die bürokratischen Mühlen mahlen ohnehin langsam. Tobias Eisch fordert auch deshalb politische Aktionen und gut organisierte Kampagnen, die für die Problematik Öffentlichkeit schaffen und sensibilisieren. Praktische Hilfe könne dabei etwa so aussehen: »In Regensburg und Passau gab es zum Beginn des Semesters Aufrufe, die WG-Couch für StudienanfängerInnen zur Verfügung zu stellen.« Doch auch solche Aktionen und solidarischen Hilfen können keine langfristige Lösung sein. Die Wohnraumproblematik der Studierenden kann immer nur im Zusammenhang mit der gesamten Stadtgesellschaft gesehen werden. Sozialer Wohnungsbau ist ebenso ein Muss wie die öffentliche Förderung verschiedenster gemeinnütziger Einrichtungen. Einzig helfen wird ein Umdenken in der Wohnraumpolitik.
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