Russisch-türkisches Agreement

Erdogan und Putin verständigen sich zu Syrien / Türkei wendet sich gegen US-Politik

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 3 Min.

61 Todesopfer soll der Luftangriff am Montag auf die nordwestsyrische Stadt Atareb gefordert haben. So meldeten es einen Tag später Quellen der syrischen Regierungsgegner. Wer den Angriff führte, wissen sie nach eigenen Angaben nicht. Russische, syrische oder US-amerikanische Kampfflugzeuge? Auch 48 Stunden später hat sich noch niemand der drei in Frage kommenden Staaten, die militärisch mit Luftstreitkräften in den Syrien-Krieg involviert sind, dazu bekannt.

Ganz sicher haben auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein russischer Amtskollege und Gastgeber Wladimir Putin am Montag in Sotschi darüber gesprochen, gehört Atareb doch zum türkischen Einflussgebiet in Syrien. Äußerungen dazu wurden jedoch nicht bekannt. Das Treffen hat aber offenbar in gutem Einvernehmen stattgefunden. Eine Interessenbekundung an der Lieferung russischer S-400-Raketen an die Türkei dürfte dazu kräftig beigetragen haben.

Die amerikanisch-russische Erklärung vom Wochenende in Da Nang, worin beide Seiten feststellten, dass der Syrien-Konflikt nicht militärisch gelöst werden könne, kommentierte Erdogan nur mit leichtem Spott: »Aber wenn die militärische Lösung kein Ausweg aus dieser Situation ist, dann sollten diejenigen, die davon sprechen, ihre Truppen aus Syrien abziehen.« Damit waren natürlich vor allem Iraner, Libanesen und vor allem Russen gemeint, die mit ihrem militärischem Engagement Syriens Präsidenten Baschar al-Assad an der Macht halten.

Erdogan ist nach wie vor weit entfernt davon, den Kollegen in Damaskus zu akzeptieren, hat aber seinen Unwillen momentan auf die westlichen Staaten fokussiert, besonders auf die USA wegen deren Schützenhilfe für die syrischen Kurden. Letztere haben, vermutlich aus taktischen Gründen, einen Deal mit einer bedrängten Dschihadistengruppe geschlossen, damit diese sich in andere Gebiete zurückziehen kann.

Das ganze lief wohl unter Mithilfe der USA und führte zu einer Schimpfkanonade Erdogans. Früher auch ein Schutzpatron dschihadistischer Verbände in Syrien, wenn die gegen Assad oder die Kurden marschierten, beschwert er sich jetzt, dass die USA dies tun - und meint in Wirklichkeit die Kurden, die unter dem Dach der »Syrischen Demokratischen Kräfte« (SDF) vom Westen als neues innersyrisches Bündnis gegen Assad und damit auch Russland aufgebaut werden. Hier treffen sich demzufolge russische und türkische Interessen. Ankara schoss am Dienstag einige Giftpfeile in Richtung Washington ab und hat ein angebliches Abkommen der syrischen Kurden mit der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zum Abzug von IS-Kämpfern aus der syrischen Großstadt Rakka verurteilt. Die Enthüllungen über die Vereinbarung der SDF mit der IS-Miliz zum Abzug einer »großen Zahl von Terroristen« seien »extrem schwerwiegend und aufschlussreich«, zitierte AFP das türkische Außenministerium. Es habe seine Vorbehalte gegen die von den USA unterstützten SDF bekräftigt.

Das Abkommen zeige, so AFP weiter, dass die Türkei mit ihren Warnungen an die USA vor einer Kooperation mit dem arabisch-kurdischen SDF-Bündnis recht gehabt habe. »Dieses Abkommen ist ein neues Beispiel dafür, dass eine Terrororganisation mit Hilfe einer anderen zu bekämpfen nur zu Absprachen zwischen diesen beiden Organisationen führt.«

Erdogan und Putin sprachen sich für weitere Bemühungen um eine politische Lösung des Syrien-Konflikts aus, ohne konkreter zu werden. Den geplanten »Kongress der Völker Syriens«, den Russlands Außenminister Sergej Lawrow ins Gespräch gebracht hatte, befürwortete Erdogan aber nicht. Russland will zu diesem Kongress über eine Nachkriegsordnung auch die syrisch-kurdische »Partei der Demokratischen Union« einladen werden.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.