Einbürgerungen nicht vorsätzlich verzögert

Bezirk kann AfD-Stadtrat keine Vorwürfe machen

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 2 Min.

Ab Montag können ausländische Bürger in Marzahn-Hellersdorf nach sechswöchiger Pause wieder Anträge auf ihre Einbürgerung stellen. Seit Anfang Oktober war die Einbürgerungsstelle im Standesamt Marzahn-Hellersdorf geschlossen. Begründung: die vollständige Abwesenheit der Mitarbeiter.

Zuständiger Stadtrat für die Standesämter in dem Ostbezirk ist Thomas Braun von der AfD. Einbürgerungen von Ausländern sind der AfD - vorsichtig formuliert - kein Herzensanliegen. Hat der Stadtrat hier vielleicht Mitarbeiter aus politischen Gründen umgesetzt? Die Vermutung liegt nahe. Denn auf der Bezirksverordnetenversammlung Ende Oktober zeichnete Braun ein positives Bild seines Amtes. Mit einer Ausnahme: Einbürgerungen könnten nicht stattfinden. Personalmangel eben.

Doch Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (LINKE) sieht keine politischen Gründe für die Schließung der Behörde. »Die zeitweilige Schließung der Einbürgerungsstelle wurde durch zeitgleiche Erkrankung beider dort beschäftigten Dienstkräfte unumgänglich«, sagt sie dem »nd«. Eine sinnvolle Alternative zur Schließung der Einbürgerungsstelle habe aus ihrer Sicht nicht bestanden, da es »ein sehr komplexes Rechtsgebiet« sei. »Dafür wären auch neue Dienstkräfte erst umfassend zu qualifizieren gewesen.« Auch andere Politiker, die wie Pohle einer Nähe zu AfD-Positionen unverdächtig sind, halten sich mit Kritik zurück. »Wir müssen uns erst ein Bild der Lage machen, bevor wir etwas bewerten«, sagt der Abgeordnete Stefan Ziller (Grüne), nach dessen Kenntnis allerdings sechs und nicht nur zwei Mitarbeiter in der Einbürgerungsstelle arbeiten. »Für Krankheit kann niemand etwas. Ob wirklich Krankheit der Grund für die Schließung war, werden unsere Bezirksverordneten auf der nächsten Sitzung erfragen.« Das sieht auch Linksfraktionschef Björn Tielebein so.

Doch offensichtlich schließt das Bezirksamt weitere Erkrankungen von Mitarbeitern und damit eine weitere Schließung der Einbürgerungsstelle nicht aus. Marzahn-Hellersdorf will »mit einem anderen Bezirk die Möglichkeiten einer zeitweiligen Übernahme der Bearbeitung von eingehenden Anträgen beraten«, so Bezirksbürgermeisterin Pohle. Doch das ist einem Sprecher der Senatsinnenverwaltung zufolge gar nicht möglich. »Wenn sich jemand einbürgern lassen möchte, muss er den Antrag in dem Bezirk stellen, in dem er gemeldet ist«, so die Auskunft. Selbst Beratungen zu Einbürgerungen und allgemeinen Staatsangehörigkeitsfragen dürfe nach der Gesetzeslage nur der Wohnbezirk vornehmen.

Marzahn-Hellersdorf ist nicht der einzige Bezirk, bei dem das Personal in den Standesämtern knapp ist. »Das ist ein Problem in Berlin«, sagt Michael Grunst (LINKE), Bürgermeister des Nachbarbezirkes Lichtenberg. Selbst eine Umsetzung von fachlich ausgebildetem Personal aus einem anderen Bezirk nach Marzahn-Hellersdorf dürfte damit schwierig werden.

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