- Sport
- Fußball-Bundesliga
Wagen und gewinnen
Werder feiert den ersten Saisonsieg und hofft, dass drei Mal nun wirklich Bremer Recht ist
Wer tief im Schlamassel steckt, trifft oft nicht die besten Entscheidungen. So auch Frank Baumann. Als Sportchef des SV Werder steht er in der Verantwortung für die Krise der Bremer Fußballer. Jüngst musste er den Nachfolger des entlassenen Coaches Alexander Nouri präsentieren. Und da fiel ihm nichts Schlaueres ein, als zu sagen, dass es auch »bessere Trainer« für den Verein gegeben hätte.
So wurde Florian Kohfeldt unter unglücklichen Umständen bekannt, ehe er überhaupt etwas dazu beitragen konnte. Spätestens seit Sonntagabend verbindet man mit dem Namen des 35-Jährigen auch Positives: Mit dem 4:0 gegen Hannover 96 gelang dem SV Werder der erste Saisonsieg in der Bundesliga. Vier Bremer Tore? Dafür hatte die Mannschaft zuvor elf Spieltage gebraucht.
Nun wäre es natürlich jetzt auch voreilig, Frank Baumann für seine Trainerwahl zu loben. Zwar hat Kohfeldt schon mit dem knappen 1:2 bei Eintracht Frankfurt gezeigt, dass er aus verunsicherten Fußballern eine Mannschaft machen kann. Aber nach dem Erfolg schätzte selbst der glücksgeschüttelte Dreifachtorschütze Max Kruse richtig ein: »Wir haben acht Punkte und nicht mehr.« Gutes hat dieser Sieg jedoch schon bewirkt: positive Gefühle, die in Bremen schon lange vermisst wurden; etwas Zeit zum Durchatmen; etwas mehr Ruhe auf der Mitgliederversammlung am Montagabend.
Für seinen Mut könnte man Frank Baumann zumindest mal auf die Schulter klopfen. Sicherlich beeinflussen seit einiger Zeit auch finanzielle Fragen die Trainersuche. Aber dass er nach Viktor Skripnik und Alexander Nouri nun auch Florian Kohfeldt von der zweiten Mannschaft zum Anführer der Profis befördert hat, ist konsequent - verbunden mit der Hoffnung, dass drei Mal nun wirklich Bremer Recht ist. Denn der Klub sucht nach der Trennung von Thomas Schaaf schon mehr als vier Jahre lang den dauerhaften Erfolg. Und der geht an der Weser offenbar nur Werder-Typisch: offensiv und nachhaltig, wie in jeweils 14 Jahren Schaaf und Otto Rehhagel.
Tradition bedeutet in Bremen viel. »Wagen un winnen« steht seit 1899 am Schütting, dem Haus der Bremer Kaufmannschaft auf dem Marktplatz der Hansestadt. »Wagen und gewinnen« wurde auch zum Motto des SV Werder. Ob Florian Kohfeldt die Erfolgslinie von Rehhagel und Schaaf weiterziehen kann? Die Voraussetzungen sind zumindest nicht so schlecht. »Meine Analyse ist, dass dieser Kader einen spielerischen Ansatz braucht«, belebte er gleich zu Beginn eine Bremer Urtugend wieder.
Dass der im nordrhein-westfälischen Siegen geborene und im niedersächsischen Delmenhorst aufgewachsene Kohfeldt nach Bremen und zum SV Werder passt, daran besteht schon länger kein Zweifel mehr. Seit 2006 trainierte er verschiedene Nachwuchsteams des Klubs. Die nötige Qualität sollte er auch mitbringen. Mit 35 Jahren gehört er nicht nur altersmäßig in die Gruppe dieser neuen, jungen Trainer wie der Hoffenheimer Julian Nagelsmann oder Schalkes Domenico Tedesco. 2015 schloss er die Fußballlehrerausbildung des DFB als Jahrgangsbester ab.
Weil Kohfeldt so analytisch arbeitet, nannte ihn Viktor Skripnik »meinen Studenten«. Damals war er Co-Trainer. Jetzt ist er der Chef. Und die Spieler mögen seine Art. »Wir haben viel im taktischen Bereich gearbeitet«, berichtete Max Kruse am Sonntagabend über die Zeit in der Länderspielpause und ergänzte, dass der Trainer die Mannschaft gut erreiche.
Kohfeldt selbst scheint zu wissen, was er kann und was nicht. Weil ihm die Erfahrungen einer eigenen Profikarriere fehlen, holte er Bremens ehemaligen Mittelfeldspieler Tim Borowski in seinen Trainerstab. Den ersten Sieg als Coach der Profis ordnete er nüchtern ein: »Es war kein rauschendes 4:0, das Spiel hätte mehrfach kippen können.« Eine ehrliche Einschätzung. Ebenso ehrlich waren Frank Baumanns Worte, als er Kohfeldt vorstellte. Natürlich gibt es bessere Trainer als den 35-Jährigen - er hat weder Erfahrung noch Erfolge auf diesem Niveau. Nur darf man das als Verantwortlicher im Fußballgeschäft so nicht sagen. Auch an solche Begleitumstände wird sich Kohfeldt gewöhnen müssen. Wenn er denn darf. Sein Vertrag gilt vorerst nur bis zur Winterpause. Baumann war sich schon vor dem Spiel gegen Hannover sicher: »Florian wird die Skeptiker schnell überzeugen, dass er die richtige Wahl ist.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.