Zur Not durch alle Instanzen
Die 61-jährige Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel hat sich viel vorgenommen für ihre letzten Arbeitsjahre. Mit ihrer Anwältin Monika Frommel ist sie dazu bereit, sich durch alle Instanzen zu klagen, damit Frauen das Recht bekommen, sich umfassend und uneingeschränkt über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren. Hänel muss sich am Freitag in Gießen vor Gericht verantworten, weil auf ihrer Internetseite steht, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbietet. Der Paragraf 219a verbietet es, Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu machen. Er ist so weitläufig formuliert, dass er von Abtreibungsgegner*innen genutzt wird, um Ärzte anzuzeigen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen.
Hänel hat bereits die dritte Anzeige wegen Paragraf 219a bekommen. Normalerweise werden solche Anzeigen eingestellt, weil von der Unwissenheit der Ärzte über die Gesetze ausgegangen wird. Doch weil Hänel schon vermehrt angezeigt wurde, wird ihr jetzt der Prozess gemacht. In einem Interview mit der »taz« sagte Hänel: »Es ist doch niemand für Abtreibungen. Weder ich noch die Frauen, die zu mir kommen.« Es gebe aber Situationen, in denen eine Frau eine Abtreibung brauche. Laut eigener Aussage ist sie die einzige Ärztin in Gießen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Mittlerweile hat Hänel auf der Internetseite change.org eine Petition zur Streichung des Paragrafen 219a gestartet, die bisher mehr als 100 000 Menschen unterschrieben haben. Auch privat haben Hänel schon viele Zuschriften von Unterstützer*innen erreicht.
Die Allgemeinmedizinerin ist seit 30 Jahren tätig und hat selbst Kinder. Bezüglich des Paragrafen 219a sagte sie zur taz: »Es ist ja nicht so, dass durch diese Regelungen irgendwelche Abtreibungen verhindert würden.« Unter dem Motto »Anti-Abtreibungsparagrafen abschaffen« rufen das queer-feministische Frauenreferat des AStA der Uni Gießen und das Bündnis »Rassismus tötet« ab 8.30 Uhr an diesem Freitag zu einer Kundgebung vor dem Amtsgericht Gießen auf. Unterstützer*innen von Hänel wollen auch in Frankfurt für die Ärztin demonstrieren. Das »Bündnis für körperliche Selbstbestimmung« ruft ab 17 Uhr zu einer ähnlichen Kundgebung in der Palmengartenstraße 14 auf.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.