»Bad Bank der Wiedervereinigung«

Studie zeigt, dass Ostdeutsche überwiegend negative Erinnerungen an die Treuhandanstalt haben

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Bochum. Viele Ostdeutsche verbinden negative Umbruchserfahrungen in der Wendezeit mit der Treuhandanstalt. Die Treuhand ist vor allem für ältere Ostdeutsche eine Art »Bad Bank der Wiedervereinigung«, wie aus einer am Montag veröffentlichten Studie der Ruhr-Universität Bochum hervorgeht. Die Menschen in den neuen Ländern verbinden die Arbeit der umstrittenen Organisation bei der Privatisierung der volkseigenen Betriebe der DDR überwiegend mit Begriffen wie »Ausverkauf« und »Abwicklung«.

Die Treuhandanstalt war zwischen 1990 und 1994 dafür zuständig, die Planwirtschaft der DDR in eine Marktwirtschaft zu überführen. Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministerium untersuchten Marcus Böick und Constantin Goschler von der Uni Bochum erstmals, wie sich dieser Prozess in der Erinnerungskultur niederschlägt. Die Forscher analysierten medienöffentliche Auseinandersetzungen der vergangenen 25 Jahre, befragten frühere Treuhand-Mitarbeiter und im Frühjahr 2017 auch 500 Ostdeutsche.

Insbesondere unter Ostdeutschen über 40 erweist sich die Treuhand als zentraler erinnerungskultureller Bezugspunkt, während sie für jüngere Ostdeutsche kaum noch ein Begriff ist. »Man könnte von einer erinnerungskulturellen Bad Bank sprechen, mit der vor allem die ostdeutschen Generationen, die die Arbeit der Organisation bewusst erlebt haben, ihre negativ besetzten Umbruchserfahrungen symbolisch in Verbindung setzten«, so Böick. Dies deute auf »ein tiefsitzendes kulturelles Misstrauen« gegenüber bundesdeutschen Institutionen hin. Die Erinnerung an die Treuhand erweise sich als prägender Faktor der politischen Kultur.

Ehemalige Treuhand-Mitarbeiter sehen sich der Studie zufolge dagegen als »verkannte Helden«. Sie deuteten ihr Engagement als außergewöhnlichen Höhepunkt ihrer Berufslaufbahn, hadern jedoch mit ihrer negativen Bewertung.

Die öffentlichen Debatten sowie die wirtschaftspolitischen Diskussionen zur Treuhand erscheinen laut den Forschern »seit den frühen 90er-Jahren zwischen Verteidigung, Kritik und Skandal erstarrt«. Sie fordern einen größeren Stellenwert des Themas in Schule und Universitäten: »Künftig sollte die Auseinandersetzung um die Treuhandanstalt sowie die Zeit nach der Wiedervereinigung über die bloße Fortschreibung der mythisierten Frontstellungen und polarisierten Deutungen hinaus gehen.«. Sie fordern auch, dass das Bundesarchiv die Akten der Treuhandanstalt erschließt und Forschern zugänglich macht.

Die Treuhandanstalt erhielt im Sommer 1990 die Verfügungsgewalt über rund 8000 Betriebe der DDR mit rund vier Millionen Beschäftigten. Die vormals volkseigenen Betriebe sollte sie schnell in markt- und wettbewerbsfähige Firmen in Privatbesitz verwandeln. Ende 1992 hatte die Organisation unter Führung westdeutscher Industriemanager, Unternehmer und Beamter diese Aufgabe durch Privatisierungen und Stilllegungen umgesetzt und dabei ein dreistelliges Milliardendefizit eingefahren.

Die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), erklärte bereits am Freitag, für viele Ostdeutsche sei die Treuhand »mit einschneidenden und prägenden biografischen Verlusterfahrungen und erlittenen Enttäuschungen mit Blick auf die freiheitliche Demokratie und die soziale Marktwirtschaft verbunden«. AFP/nd

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