Biometrie in Berlin
Protest gegen Überwachung am Bahnhof Südkreuz
Ins Gesicht geschminkte geometrische Formen können offenbar die Gesichtserkennung biometrischer Kameras täuschen. Mit Schminke, Masken und einer Kunstperformance protestierten deshalb am Montag Überwachungskritiker am Berliner Bahnhof Südkreuz gegen neuartige Verfahren der Videoüberwachung, die dort seit 1. August getestet werden. Zu der fantasievollen Kundgebung hatte das Aktionsbündnis »Endstation« aufgerufen, laut dessen Angaben hatten sich rund 40 Personen an dem Protest beteiligt.
Leicht verbittert zeigte sich Moritz Riedel vom Aktionsbündnis darüber, dass die fest installierten Überwachungskameras nicht einmal während der Kundgebung abgeschaltet worden seien - obwohl die Polizei dies zunächst versichert habe. »Es ist per Gesetz verboten, eine Demonstration pauschal abzufilmen.« Die Tatsache, dass die Kameras während der Kundgebung weiterliefen, wolle man nun gerichtlich prüfen lassen, so Riedel gegenüber »nd«.
Obwohl die Aktion offiziell als Kundgebung angemeldet worden war und gewaltfrei verlief, unterband die Polizei einige Programmpunkte, die elektrischen Strom benötigt hätten. So musste eine Musikband ihre Darbietung nach wenigen Minuten wieder abbrechen.
Die »intelligente Videotechnik« wird seit dem 1. August von der Bundespolizei am Südkreuz getestet. Kamerabilder werden in Computerprogramme eingespeist, die dann durch Abgleich mit behördlichen Bilddatenbanken menschliche Gesichter wiedererkennen können. Auch Bewegungsprofile werden aufgenommen und können verglichen werden.
Während Sicherheitsbehörden auf die Bedeutung der Kameras für die Terrorabwehr hinweisen, betonen Datenschützer unermüdlich die Gefahren der Kameras, welche für sie den Nutzen der neuartigen Technik bei weitem übersteigen. So befürchten die Gruppen, die am Montag sanfte Kamerasabotage betrieben haben, die biometrische Technik könne sich vom Südkreuz quer durch die gesamte Republik ausbreiten.
Dies schaffe auch Risiken für die Demokratie: »Hier wird die technische Grundlage geschaffen, die Bewegungsmuster sämtlicher Bürger in Deutschland zu erfassen«, erklärte die Gruppe »Digitale Freiheit«. Wenn man seine Bewegungsfreiheit und Privatsphäre erklären müsse, wäre das für einen demokratischen Staat ein Schritt zu viel. Statt Straftaten zu verhindern, fördere laut der Initiative die Überwachungstechnik lediglich das Untertanenverhalten von Bürgern.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.