Müllflut in den Meeren

Flüsse in China und Indien tragen am meisten zur Verschmutzung der Ozeane bei

  • Finn Mayer-Kuckuk, Peking
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer in der alten Kaiserstadt Nanjing am Jangtse steht, sieht zunächst einen majestätischen Strom, breit wie ein See, die wichtigste Verkehrsader und Trinkwasserquelle für mehrere hundert Millionen Menschen. Auf den zweiten Blick sind im Wasser auch rote, gelbe, blaue Tupfer zu sehen: weggeworfene Plastikpackungen. Bei Shanghai mündet der Jangtse in den Pazifik, ein Strom von Plastik ergießt sich von China aus ins Meer.

Eine Studie offenbart das Ausmaß der Kunststoffmenge, die Fische krank macht und auch dem Menschen schadet. Demnach sind China und Indien mit Abstand die größten Verschmutzer der Gewässer. Laut Daten, die Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig und der Hochschule für angewandte Wissenschaften Weihenstephan-Triesdorf zusammengetragen haben, liegen acht der zehn schmutzigsten Flüsse der Welt in Fernost. Diese sind wiederum für 88 bis 95 Prozent des Plastikmülls verantwortlich, der in die Meere gelangt.

Nach dem Jangtse trägt der Indus am meisten Plastik ins Meer. Er entspringt in China und fließt hauptsächlich durch Pakistan. Auf dem dritten Platz der Liste findet sich der Gelbe Fluss, der Nordchina von West nach Ost durchquert. Auch der Haihe, der Perfluss und der Mekong gehören zu den Strömen mit dem höchsten Plastikanteil. Insgesamt schwemmen sie jährlich rund vier Millionen Tonnen Plastik ins Meer, schätzen die Forscher. Ein großer Teil ist Müll, doch auch Fasern von Fleece-Kleidung oder die körnigen Zutaten von Duschpeelings oder Zahnpasta gehören dazu. Sie gelten als besonders schädlich.

Gerade in China ist ein Großteil des Plastiks jedoch gut sichtbar. Schon 900 Kilometer flussaufwärts von Nanjing sammelt sich tonnenweise Abfall im Jangtse: am Drei-Schluchten-Staudamm. Hier bleibt ein Großteil dessen hängen, was der Fluss von seinem Oberlauf in Tibet aufgesammelt hat. Jeden Tag fischen Arbeiter rund 3000 Tonnen Müll aus dem größten Staudamm der Welt. Im Jahr kommen sie auf 200 000 Kubikmeter, den die Verwaltung des Damms auf Deponien in der Umgebung entsorgen lassen muss - für umgerechnet mehreren Millionen Euro im Jahr, berichtet die Zeitung »China Daily«.

Hinter der Staumauer fängt das Spiel von vorne an. Der Jangtse ist so gewaltig, dass er unzerstörbar erschien. Einige Gemeinden kippen ihren Müll über die Uferkante, viele Anwohner schmeißen ins Wasser, was sie loswerden wollen. »Den Leuten fehlt das Bewusstsein dafür, was sie da machen«, sagt Umweltschützer Huang Xiaoshan, der sich in Peking für die Einführung von Mülltrennung einsetzt. »Wenn es nicht um das eigene Haus oder die eigene Familie geht, ist vielen Chinesen erschreckend egal, was mit ihrem Müll passiert.«

Die Weltmeere wirken groß, doch der Mensch hat es geschafft, sie vollzumüllen. Im Zentrum der großen Meeresströmungen in Atlantik und Pazifik schwimmen besonders viele Kunststoffteile. In der Öffentlichkeit existiert die Vorstellung riesiger Müllteppiche. Doch die Wahrheit ist deutlich besorgniserregender: Das Plastik wird unter Sonneneinstrahlung spröde und von den Wellen zu feinem Pulver zerrieben, das kaum sichtbar im Wasser treibt. Fische, Krebse, Muscheln und andere Meerestiere nehmen das Mikroplastik mit ihrer Algennahrung auf.

So gelangt es auch in die Nahrungskette des Menschen, vermuten Wissenschaftler. Die Gefahr geht dabei weniger von den Kunststoffen selbst aus als von Zusatzstoffen, die sich daraus lösen. Doch auch wenn die Gesundheitsfolgen nicht erforscht sind: Der Müll gehört nicht ins Meer - und ist auf jeden Fall hässlich.

China tut bereits viel, um die Müllflut in den Griff zu bekommen. Die Regierung investiert viele Milliarden Euro in den Bau von Verbrennungsanlagen. Zwischen 2010 und 2015 hat sie die Kapazität für geregelte Entsorgung um den Faktor 60 erhöht. Umweltaktivist Huang sieht sein Land dennoch auf dem falschen Weg. »Es sollte mehr um die Einstellung der Leute gehen statt um technische Lösungen«, sagt er. Recyceln und Reduzieren sei viel besser als zu verbrennen. Eine ordentliche Mülltrennung würde dabei helfen, gerade den Plastikmüll sortenrein zu erfassen und gezielt wiederzuverwerten.

Doch Trennung findet bisher - zumindest auf Ebene der Haushalte - nicht statt. Huang glaubt, dass es noch Jahrzehnte dauert, bis die Einstellung sich fundamental ändert und die Leute den Müll so ordentlich einsammeln wie im Nachbarland Japan.

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