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Baskischen Aktivisten in Berlin droht Auslieferung
Mikel Barrios und Iñigo Gulina wurden in Deutschland festgenommen - Anwalt warnt vor drohender Folter in Spanien
In der Berliner Justizvollzugsanstalt Moabit befinden sich derzeit zwei Männer aus dem Baskenland in Haft, die im Zusammenhang mit der baskischen Widerstandsbewegung ETA Straftaten begangen haben sollen. Dem 29 Jahre alten Mikel Barrios wird »Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung zwecks Begehung von Terrorakten in Frankreich« vorgeworfen. Der 37-jährige Iñigo Gulina soll in Spanien »terroristisch motivierte Sachbeschädigungen«, konkret Anschläge auf Bahnanlagen und Banken, verübt haben.
Bei einer Hausdurchsuchung bei Letzterem habe man außerdem »Propagandamaterial« gefunden, nämlich Aufkleber und Flyer der verbotenen baskischen Jugendorganisation SEGI. Gulina war bis 2007 in dieser aktiv. Beiden Aktivisten droht nun eine Auslieferung an Spanien beziehungsweise Frankreich.
Ende Oktober waren die beiden Basken in Berlin von der Polizei festgenommen worden. Die paramilitärische spanische Polizei Guardia Civil hatte sich auch an dem Einsatz beteiligt. Wie der spanische Innenminister Juan Ignacio Zoida kurz nach der Festnahme auf Twitter bekannt gab, arbeiteten die Behörden gemeinsam an der geheimen Operation. Bis Ende Dezember muss das Kammergericht in Berlin über die Auslieferung der beiden Männer entscheiden.
Für Gulina könnte die drohende Auslieferung nach Spanien fatal enden. Gefangene - insbesondere Basken - wurden in spanischen Gefängnissen gefoltert, um Geständnisse zu erzwingen. Gulina selbst gab in der ersten Anhörung vor dem Amtsgericht Tiergarten an, bereits 2007 wegen der Mitgliedschaft bei SEGI in spanischer Haft mehrere Tage lang misshandelt worden zu sein.
In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Anzeigen in Spanien wegen vermeintlicher Folter in Gefängnissen. Organisationen wie die UN-Antifolterkommission und Amnesty International erkennen die Vorwürfe als glaubwürdig an. Laut einem Bericht der Menschenrechtsorganisation von 2017 haben die Behörden die Klagen in »manchen Fällen nicht wirksam und gründlich untersucht«.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte Spanien allein seit 2004 neun Mal wegen der Verletzung des Folterverbots verurteilt - zuletzt 2016. Nichtsdestotrotz erkennt das Kammergericht Berlin die Gefahr der Folter nicht als Auslieferungshemmnis für Gulina an. In einem Beschluss des Gerichts von Anfang November hieß es: »Die nur pauschal und unbestimmt erhobenen Foltervorwürfe geben keinen Anlass, ihnen nachzugehen oder den ersuchenden Staat um diesbezügliche Erklärungen oder Zusicherungen zu bitten«. Stattdessen gälten die »Grundsätze des gegenseitigen Vertrauens« zwischen EU-Mitgliedstaaten.
»Dieses Vertrauen in die Justiz von EU-Ländern ist zunächst einmal üblich und auch richtig«, sagte Volker Gerloff, der Anwalt von Gulina, gegenüber »nd«. Im Falle seines baskischen Mandanten müsse dieses Vertrauen gegenüber Spanien jedoch auch abseits der Folterproblematik infrage gestellt werden.
So seien schon die Vorwürfe zum Teil unklar: In dem mehrere Jahre alten Haftbefehl gegen Gulina wurden ihm zunächst drei Fälle von terroristisch motivierten Sachbeschädigungen und ein Fall von Sprengstoffbesitz vorgeworfen. Letzterer ist inzwischen aus dem Haftbefehl verschwunden. Dafür werden Gulina nun sechs konkrete Anschläge vorgeworfen. Woher diese neuen Vorwürfe kommen, sei unbekannt, erklärte Gerloff. Die einzigen Beweise wären offenbar die Flyer von SEGI sowie Aussagen von Dritten, bei denen nicht ausgeschlossen werden könne, dass auch sie unter Folter entstanden sind. »All das ist eigentlich Grund genug für das Kammergericht, da mal bei Spanien nachzufragen«, sagte Gerloff. Doch das Gericht rührt sich bisher nicht.
Heiko Lange vom Bundesvorstand der Roten Hilfe erklärte zu dem Fall: »Indem die deutschen Behörden die baskischen Geflüchteten seit Wochen in Haft halten, macht sich die BRD zur Erfüllungsgehilfin der für ihre brutalen Misshandlungen berüchtigten Guardia Civil.« Den beiden Angeklagten würden nun »politische Prozesse auf Grundlage von erfolterten Aussagen« drohen.
Die baskische Linkspartei Sortu kritisierte in einer Stellungnahme Ende Oktober, die spanische Regierung wolle mit der anhaltenden Repression den Friedensprozess im Baskenland behindern. Sie verurteilte die Verhaftungen in Berlin als »Provokation«.
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