Hinter der Maske

Klaus Funke führt den untoten Goebbels vor

  • Martin Hatzius
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Kunst des Dresdner Schriftstellers Klaus Funke besteht darin, längst vergangene Zeiten gleichsam aus der Perspektive des Augenzeugen zu schildern. In seinen Musikerbüchern etwa über die Schumanns, über Brahms oder Paganini beschwor er die darin handelnden Personen sämtlicher Stände in einer Detailtreue und Charakterschärfe herauf, die ihn als unmittelbaren Beobachter auszuweisen schien. Dieser Autor, so musste man denken, ist ein Mann des 19. Jahrhunderts.

Funkes jüngster Roman schließt stilistisch an die Vorgänger an: Wieder begegnen wir einem Erzähler, der uns in einem fast schon geschwätzigen Ton in das Geschehen hineinzieht. Die Zeit, zu deren Zeugen uns Funke diesmal macht, ist allerdings längst nicht so vergangen wie die seiner Künstlerromane. Und: Statt mit Musikerseelen bekommen wir es nun mit einem Haufen intriganter Altnazis zu tun.

Im Hessen des Jahres 1957 lockt ein noch immer einflussreicher Oberregierungsrat a. D. seinesgleichen aus der Deckung, indem er das Gerücht streut, der NS-Propagandaminister sei am Leben und im Begriff, Deutschland wieder zu alter Größe zu verhelfen. Sein Trumpf ist ein »Homunculus« aus eigener Aufzucht: ein Schauspieler, der Goebbels bis aufs Haar gleicht. Wie es dem Autor nun gelingt, dieses Schmierentheater aus Hinterzimmern auf die politische Bühne der jungen Bundesrepublik zu bugsieren, ist nicht nur spannend zu lesen, es öffnet auch die Augen für das gar nicht so geheime Fortleben der Naziideologie in jenen Jahren.

In jenen Jahren? So authentisch Funke die Nachkriegszeit schildert, bleibt doch ein Gedanke beim Lesen nicht aus: Der vernichtende Geist hinter der Maske hat sich bewahrt - bis in unsere Tage.

Klaus Funke: Die Schnauze lebt. Der gefälschte Goebbels. Weltbuch, 444 S., br., 16,90 €.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -