Freiberger Forscherteam will Erkundungs-TÜV werden
Das Helmholtz-Institut arbeitet an neuen Technologien, welche die Rohstoffnutzung so umweltverträglich wie möglich machen sollen
Die Bürgerversammlung war gut besucht, das Thema war spannend: Rohstofferkundung rund um die erzgebirgische Stadt Geyer ganz ohne Bohrungen. Drei Jahre lang waren Hubschrauber über dem Areal gekreist und hatten mittels Sonden Daten aus der Erde gesammelt. Die Serie von Flügen aber war nur die Vorbereitung für ein Großprojekt. »Das war unser Sandkasten«, sagt Richard Gloaguen vom Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF) am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf.
Geyer ist eines von drei Referenzgebieten in Europa für eine schonende Suche nach unterirdischen Rohstoffen. Ziel ist es, dafür neue Technologien zu entwickeln und zu testen. In anderen Projekten geht es zum Beispiel darum, durch neue Methoden und Strategien den Abbau und die Gewinnung von Rohstoffen zu verbessern. »Wir müssen sehen, dass wir die ganze Kette umweltfreundlich halten«, sagt der Abteilungsleiter Erkundung am HIF.
Die ersten Erkundungsflüge sind im Frühjahr geplant: Aus klimatischen Gründen zuerst im spanischen Gerena und Minas de Rio Tinto, dann in Geyer und schließlich im finnischen Sakatti, nördlich des Polarkreises. Ausgewählt wurden die Regionen nach den Kriterien Klima, Lagerstätten, Bergbauhistorie und Bevölkerung. In das Forschungsprojekt, das »Innovative, Non-Invasive and Fully Acceptable Exploration Technologies« (INFACT) heißt, investiert die EU bis zum Oktober 2020 5,6 Millionen Euro.
Bei der Vorstellung des Vorhabens schlug den Wissenschaftlern in Geyer auch eine gewisse Skepsis entgegen. Man habe ein Misstrauen gemerkt gegenüber dem, was sie tun, berichtet Gloaguen. Er versprach den Bürgern Transparenz. Vor Flügen würden die Menschen informiert, tiefe Flüge über bewohntes Gebiet seien tabu, während der Ferien und in der Brutzeit von Vögeln werde nicht geflogen. Auch die Messmethoden der Sonden seien für Mensch und Tier vollkommen unschädlich. »Das ist so ungefährlich, wie neben einem Elektroherd zu stehen«, sagt Gloaguen.
Worum aber geht es? Ob für moderne Handys, Motoren und Akkus für die E-Mobilität oder Windräder für die Energiewende - die Industrie benötigt Metalle: Kupfer, Kobalt, Lithium, Wolfram, Seltene Erden und vieles mehr. Durch Wiederverwendung kann der Bedarf nicht gedeckt werden, Seltene Erden und andere Hochtechnologieelemente werden so kleinteilig verbaut, dass sie (noch) nicht recycelt werden können.
Das HIF will Methoden und Technologien entwickeln, um die Rohstoffnutzung umweltverträglich und effizient möglich zu machen. Auch mit dem Ziel, Deutschland unabhängiger von Importen werden zu lassen. Zumal viele der begehrten Ressourcen aus geopolitisch sensiblen Regionen kommen: seltene Erden zu mehr als 80 Prozent aus China oder Kobalt aus dem Kongo.
Die Freiberger Wissenschaftler und ihre Partner arbeiten mit dem europaweiten Projekt nun in drei Richtungen: Entwicklung und Test von Methoden zur schonenden Rohstoffsuche, Untersuchung der Akzeptanz in der Bevölkerung sowie Anleitung zur umweltfreundlichen Erkundung. Für einen nachhaltigen Bergbau werden in den Referenzgebieten die notwendigen Vergleichsdaten erhoben. Sind die innovativen Methoden zur Erkundung der Rohstoffe erfolgreich, strebt das HIF dafür eine Zertifizierung an. »Wir wollen der TÜV der Exploration werden«, sagt Gloaguen.
Geyer muss dafür auf absehbare Zeit keinen aktiven Bergbau fürchten. »Bergbau wäre nicht in unserem Sinne, weil wir dadurch ein Referenzgebiet verlieren würden«, sagt Forscher Gloaguen. Ob die Argumente der Wissenschaftler die Einwohner überzeugt haben, wird sich nach Befragungen durch Meinungsforscher zeigen. dpa/nd
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