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- Simbabwe nach Mugabe
Befreit vom Befreier?
Die Ära von Robert Mugabe ist nach 37 Jahren endgültig beendet – das Erbe bleibt.
Als erster Wahlsieger des unabhängigen Simbabwe sah sich Robert Mugabe 1980 mehreren politischen Pro-blemen gegenüber. Das Land war nach 20 Jahren Bürgerkrieg tief gespalten zwischen der weißen Minderheit und der schwarzen Bevölkerungsmehrheit, aber auch zwischen den konkurrierenden Befreiungsbewegungen Zimbabwe African National Union (ZANU) und der People’s Union (ZAPU) unter Joshua Nkomo. Diese Spaltungen schienen nach Jahren der Unterdrückung und der Gewalt unüberbrückbar. Mit einer legendären Rede zur Unabhängigkeit Simbabwes forderte Mugabe jedoch die gesamte Bevölkerung auf, am Aufbau der neuen Nation als gleichberechtigte Bürger teilzunehmen. Das erste Kabinett spiegelte diese Versöhnungspolitik wider: Trotz absoluter Mehrheit der ZANU, seit 1990 ZANU-PF, benannte Mugabe sowohl Weiße als auch ZAPU-Politiker als Minister.
Die Regierung konzentrierte sich auf die Verbesserung der Lebensbedingungen der ländlichen Kleinbauern, die die Masse der Bevölkerung stellten. Sie führte eine kostenfreie Basisgesundheitsversorgung ein und schaffte die Schulgebühren ab. Begleitend wurden über 2000 Schulen und über 1000 Krankenstationen gebaut, um die bis dahin vernachlässigte schwarze Landbevölkerung zu versorgen. Die Lebenserwartung stieg stark an, ebenso sank der Anteil der Kinder mit Mangelernährung. Mit dieser Politik erntete Mugabe größtes internationales Ansehen und wurde zum Beispiel eines modernen afrikanischen Staatsführers.
Dennoch blieb Mugabe stets den Erfahrungen des Befreiungskampfes verhaftet. Auf Herausforderungen seiner Macht reagierte er mit Gewalt. Als 1982 auf einer Farm der ZAPU Waffen aus dem Bürgerkrieg gefunden wurden, diente dies zur Begründung eines Armee-Einsatzes, der mit gewalttätigen Gräueltaten im südwestlichen Landesteil Matabeleland bis 1987 andauerte und mindestens 10.000 Menschen der Volksgruppe der Ndebele das Leben kostete - ein Umstand, den die internationale Gemeinschaft in ihrer Euphorie weitgehend übersah. Als dennoch bei den Wahlen 1985 alle Parlamentssitze der Region an die ZAPU gingen, sah Mugabe ein, dass diese Strategie politisch erfolglos blieb. Nach Verhandlungen mit der ZAPU-Führung, der kaum eine andere Option blieb, kam es schließlich 1990 zur Vereinigung beider Parteien unter dem Namen ZANU-PF. Durch die Vereinigung von ZAPU und ZANU war Simbabwe de facto zu einem Ein-Parteien-Staat geworden. Dies bedeutete jedoch auch, dass die Regierung kaum noch auf die Belange der Bürger Rücksicht nehmen musste.
Die sozialen Erfolge stellten eine enorme Haushaltsbelastung dar. In Kombination mit zahlreichen Subventionen entwickelte sich trotz hoher Exportüberschüsse im Außenhandel schnell ein anhaltendes Defizit im Staatshaushalt. Zudem drängten jedes Jahr gut qualifizierte Schulabgänger auf den Arbeitsmarkt, die vielfach keine Jobs finden konnten. In einer Art vorauseilenden Gehorsams gegenüber dem Internationalen Währungsfonds unterwarf sich Simbabwe 1990 »freiwillig« einem ökonomischen Strukturanpassungsprogramm mit massivem Subventionsabbau, Wiedereinführung von Schulgebühren und Privatisierung staatlicher Unternehmen. Die Reallöhne sanken in den ersten drei Jahren des Programms jeweils um mehr als zehn Prozent. Die verarbeitende Industrie war der Konkurrenz asiatischer Produkte nicht gewachsen. Ihre Produktion ging um 40 Prozent zurück, was in den städtischen Zentren zu Entlassungen führte. Die Inflationsrate sollte nach 1991 nie mehr unter 20 Prozent sinken. Die Staatselite profitierte dagegen, indem sie durch den Wegfall der Devisenkontrollen ihre Sparguthaben für Importe verwenden oder direkt ins Ausland transferieren konnte. Hinzu kam die Möglichkeit, sich bei der Vergabe von Staatsaufträgen zu bereichern. Der Staat wurde zu einem Werkzeug der ökonomischen Bereicherung der Regierenden. Minister und höhere Staatsangestellte entwickelten ein Netzwerk aus Firmen und Beteiligungen. Korruptionsskandale drangen wiederholt an die Öffentlichkeit, meist ohne politische oder gar juristische Konsequenzen für die Beteiligten.
Das Strukturanpassungsprogramm muss als Endpunkt der Wohlfahrtspolitik Mugabes betrachtet werden. Das allgemeine Absinken der Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen 1995 und den Präsidentschaftswahlen 1996 zeigte eine wachsende Indifferenz der Bevölkerung gegenüber der ZANU-PF und Mugabe, die sich mangels politischer Alternativen dennoch problemlos an der Macht halten konnten.
In der Bevölkerung genoss Mugabe weiterhin höchstes Ansehen, da er persönlich nie in einen aufgedeckten Skandal verwickelt war. Die Öffentlichkeit übersah dabei, dass häufig engste Verwandte in diese Praktiken involviert waren und zudem Mugabe selbst gerichtlich Verurteilten schnell eine Begnadigung zuteilwerden ließ.
1998 entschloss sich Mugabe ohne Anhörung des Parlaments zu einer militärischen Intervention in der Demokratischen Republik Kongo zur Unterstützung Laurent-Désiré Kabilas. Die immensen Ausgaben für dieses Engagement führten zu einer weiteren drastischen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage. Gleichzeitig nutzten die Militärs die Möglichkeit zur persönlichen Bereicherung an den Bodenschätzen Kongos. Das durch die ökonomische Krise entstandene Protestpotenzial konzen-trierte sich schließlich in der Gründung der Bewegung für Demokratischen Wandel/Movement for Democratic Change (MDC).
Mugabe reagierte auf diese neue, ernst zu nehmende Herausforderung seiner Macht mit einem Rückgriff auf den Befreiungskampf. Infolge der kolonialen Landnahme waren circa 6000 Farmer in Besitz von 39 Prozent der Landfläche in den produktivsten Gebieten, während sich circa 700.000 Kleinbauern 42 Prozent der Landfläche, meist in Trockengebieten, teilen mussten. Abgesehen von einigen Umsiedlungen in den 80er Jahren hatte die Regierung entgegen aller revolutionären Rhetorik die Landumverteilung nie konsequent verfolgt, da allein die Tabakerlöse der Großfarmen fast 40 Prozent der Exporteinnahmen generierten. In Ermangelung anderer politischer und ökonomischer Optionen versprach Mugabe der Bevölkerung erneut eine Landreform und entwarf eine neue Verfassung, die eine entschädigungslose Enteignung der weißen Großfarmer ermöglichen sollte.
Das Referendum über den Verfassungsentwurf im Februar 2000 bedeutete die erste Abstimmungsniederlage für Mugabe und die ZANU-PF. Veteranen des Bürgerkriegs reagierten auf das Ergebnis mit der spontanen Besetzung von Farmen. Nach wenigen Tagen wurden die Besetzungen durch die ZANU-PF rhetorisch und logistisch unterstützt. Das chaotische Vorgehen brachte mitten in der Erntezeit den ökonomisch wichtigen landwirtschaftlichen Produktionsprozess fast zum Erliegen.
Die folgenden Parlamentswahlen des Jahres 2000 waren hart umkämpft. Die Menschenrechtsorganisation Zimbabwe Human Rights Forum zählte 27 Morde, 27 Vergewaltigungen, 2466 körperliche Angriffe und 617 Entführungen, meist ausgeübt durch die Nachwuchsorganisation der ZANU-PF. Die ZANU-PF verlor sämtliche Sitze in den städtischen Ballungsräumen, erhielt jedoch durch das Votum der ländlichen Gebiete ihre Parlamentsmehrheit.
Im Zuge der sogenannten Fast-Track-Landreform schritten die Enteignungen in den folgenden Jahren weiter voran. Der überwiegende Teil des enteigneten Landes wurde Kleinbauern zur Verfügung gestellt, wenn auch in einigen Fällen Bürgerkriegsveteranen und Parteimitglieder profitierten. Die Folge war ein dramatischer Einbruch der Nahrungsmittelproduktion. Auch der Anbau von Tabak als Devisenbringer kam praktisch zum Erliegen.
2008 erreichte die Krise in Simbabwe einen traurigen Höhepunkt. Die Wasser und Elektrizitätsversorgung unterlag tiefsten Einschränkungen, die Produktion kam in vielen Betrieben zum Erliegen. Die Inflationsrate erreichte über 100.000 Prozent im Jahresmittel, Preise verdoppelten sich täglich. 80 Prozent der Schüler blieben aufgrund fehlender Schulgebühren den Klassenräumen fern. Eine Choleraepidemie konnte sich infolge der durch den Wassermangel verursachten mangelnden Hygiene landesweit ausbreiten. In diesem Jahr fanden in Simbabwe erstmals Parlaments- und Präsidentschaftswahlen gleichzeitig statt. Bei der Parlamentswahl im März erhielt die ZANU-PF weniger Stimmen als die Oppositionspartei MDC. Auch Mugabe lag im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl hinter seinem Herausforderer Morgan Tsvangirai von der MDC. Da dieser jedoch keine absolute Mehrheit erreichte, kam es zu einer Stichwahl.
Verlief die Parlamentswahl noch recht friedlich, zeigte Mugabe zur Stichwahl seinen Willen und sein Potenzial, in jedem Falle an der Macht zu bleiben. Die ZANU-PF zeigte erneut ihre Gewaltbereitschaft und ihre logistische Fähigkeit, mithilfe eines omnipräsenten Geheimdienstes landesweit Terror ausüben zu können. Am Ende waren mindestens 153 Oppositionsanhänger getötet worden. Tsvangirai zog aufgrund der Gewalt schließlich seine Kandidatur zurück, um seine Anhänger zu schützen.
Diesmal verweigerte jedoch selbst die Wirtschaftsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) die Anerkennung des Wahlergebnisses. Mugabe sah sich gezwungen, mit der MDC eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Tsvangirai übernahm das wiedereingeführte Amt des Premierministers, der jedoch dem Präsidenten untergeordnet war. Der Regierung der nationalen Einheit gelang es - auch durch erneute finanzielle Unterstützung der westlichen Gebergemeinschaft - die ökonomische Lage zu stabilisieren. Allerdings wurde auch die MDC schnell durch Korruptionsskandale und Vetternwirtschaft in ihrer Glaubwürdigkeit erschüttert. Bei den Parlamentswahlen 2013 erreichte die ZANU-PF einen Erdrutschsieg, der nicht allein durch Wahlfälschungen zu erklären war.
Wieder allein an der Regierung, begannen die parteiinternen Kämpfe um die Nachfolge des inzwischen 90-jährigen Mugabe. 2014 zeigte seine zweite Frau Grace (52) erstmals politische Ambitionen. Die ehemalige Sekretärin Mugabes übernahm zunächst den Vorsitz der einflussreichen Frauenliga der ZANU-PF. Im Oktober 2017 beschuldigte Grace Mugabe den letzten verbliebenen Konkurrenten um die Nachfolge, den Justizminister und Vizepräsidenten Emmerson Mnangagwa der Verschwörung. Am 6. November wurde Mnangagwa, der bei Militär und Geheimdienst höchstes Ansehen genießt, aus seinen Ämtern entlassen. Am 14. November stellte das Militär Mugabe und seine Frau im ersten Militärputsch des südlichen Afrika unter Hausarrest. Das Militär demonstrierte damit die wahren Machtverhältnisse im Land. Am 21. November trat Robert Gabriel Mugabe als Präsident Simbabwes zurück. Er kam einem kurzfristig eingeleiteten Amtsenthebungsverfahren durch die Parlamentsabgeordneten seiner eigenen Partei zuvor, die überraschend schnell die Position der Militärs übernahm. Bei seinem Rücktritt im Alter von 93 Jahren und einer Regierungszeit von 37 Jahren war er sowohl das älteste als auch das dienstälteste Staatsoberhaupt der Welt. Mit Mnangagwa hat nunmehr der Organisator der Massaker in Matabeleland, der Architekt der Wahlfälschungen und mutmaßliche Verantwortliche der Gewalttaten während der Wahlen 2008 das höchste Staatsamt übernommen. Die Ära Mugabe ist beendet. Doch seine Politik wird vielleicht fortgesetzt.
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