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Krise und kein Ende
Die griechische Regierung sehnt das Auslaufen der Kreditprogramme herbei
Lautlos wie nie zuvor hat Griechenland vor wenigen Tagen die letzte Etappe des dritten und vielleicht letzten Kreditprogramms mit seinen internationalen Gläubigern beschritten. Doch der Widerstand gegen weitere »Anpassungen«, »Reformen« und Privatisierungen scheint nur im internationalen Medienecho gebrochen - in dem seit siebeneinhalb Jahren am Tropf der europäischen Partner und Banken hängenden Mittelmeerstaat gibt es auch weiter Proteste gegen den neoliberalen Umbau.
Nachdem etwa bekannt wurde, dass Griechenland in der am Montag von der Eurogruppe abgesegneten Vereinbarung mit den Gläubigerin᠆stitutionen zugesagt hat, vier der wichtigsten Kraftwerke der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft DEI im kommenden Jahr zu privatisieren, brachten Gewerkschafter sofort ihren Unmut zum Ausdruck. Für den 14. Dezember rufen schließlich die großen Gewerkschaftsverbände ADEDY und GSEE zu einem Generalstreik auf. An diesem will sich auch die Gewerkschaft der Kommunalangestellten (POE-OTA) beteiligen. Sie erzürnt das ebenfalls von den Gläubigern verlangte Vorhaben, das Streikrecht einzuschränken. Künftig soll ein Ausstand nur dann legal sein, wenn die Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder in einem Unternehmen oder einer Behörde bei einer Urabstimmung dafür gestimmt hat.
Neun Jahre lebt Griechenland nunmehr in der Krise - Ende August 2018 soll damit Schluss sein. Das hofft zumindest die Regierung unter SYRIZA-Chef Alexis Tsipras. Dann nämlich endet formell das laufende Kreditprogramm mit der Europäischen Kommission, der Europäischen Zen᠆tralbank, dem Internationalen Währungsfonds und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Im Sommer 2015 vereinbarte die noch junge Regierung nach langem Tauziehen und einem Referendum dieses dritte Programm, das im Gegenzug für weitere Kürzungen und viele Auflagen bis zu 86 Milliarden Euro an Finanzhilfen versprach.
Selbst der ESM geht jedoch inzwischen davon aus, dass Griechenland den Kreditrahmen nicht voll ausschöpfen wird. »Wir freuen uns, dass die Darlehenssumme für Griechenland deutlich unter dem ESM-Programmdeckel von 86 Milliarden Euro bleiben dürfte«, erklärte ESM-Chef Klaus Regling jüngst dem »Handelsblatt«. Die Taktik der griechischen Regierung besteht weiter darin, möglichst wenige neue Kredite aufzunehmen und weitere Schuldenerleichterungen zu erstreiten. Regling stellte nun in Aussicht, die nicht aus dem Programm abgerufenen Mittel zur Tilgung von Darlehen bei anderen Gläubigern zu nutzen. Ein weiteres Abtragen des Schuldenbergs ist auch von Bedeutung, damit Griechenland an die Finanzmärkte zurückkehren und sich von privaten Investoren zu auskömmlichen Zinsen Geld leihen kann.
Doch der Finanzstatus Griechenlands ist nur ein Indikator für die wirtschaftliche Lage des Landes. Die Krise und die Kreditprogramme haben tiefe Spuren hinterlassen, und von einem Ende kann längst nicht die Rede sein. So liegt die Arbeitslosigkeit laut den aktuell bekannten Zahlen von August nach wie vor bei über 20 Prozent, unter jungen Menschen hat sie die 40-Prozent-Marke noch immer nicht unterschritten. Nach Angaben des griechischen Außenministers Nikos Kotzias haben die Griechen seit 2010 im Durchschnitt 27 Prozent ihres Einkommens verloren - und es könnte noch mehr werden: Wie nun vereinbart wurde, sollen ab 2019 die Renten noch einmal sinken, um bis zu 18 Prozent.
Angesichts dieser Pläne ist eine kürzlich verabschiedete »Sozialdividende« nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Bereits vor einem Jahr zahlte die linke Regierung mehr als 600 Millionen Euro an Griechen mit geringen Renten. Nun will Athen rund 720 Millionen Euro in Einmalzahlungen an Haushalte geben, deren Jahreseinkommen unter 18 000 Euro liegt. Weitere 315 Millionen Euro sollen für die Krankenversicherung von Rentnern bereitgestellt werden. Rund 360 Millionen Euro sollen an den Energieversorger DEI fließen, der damit die Stromrechnungen für bedürftige Kunden senken soll.
Eine echte Verbesserung der Lebenssituation bringt dieses Sozialpaket aber nicht. Dafür brauche es Wachstum und mehr Beschäftigung, gesteht Premier Tsipras ein. Er sieht sein Land jedoch auf dem richtigen Weg und betont, dass Hellas in diesem Jahr einen sogenannten Primärüberschuss (Bilanz ohne Kosten für Schuldendienst) von über zwei Prozent erzielen werde. Für 2018 wurde mit den Gläubigern gar ein Etatziel von 3,5 Prozent vereinbart. Kritische Ökonomen warnen jedoch vor zu großem Optimismus. Denn die griechische Wirtschaft wächst nicht so stark wie erhofft. Für dieses Jahr wird nur noch mit einem Wachstum von 1,6 Prozent gerechnet. Für den regierenden Tsipras ist das aber kein Grund aufzugeben. Er wolle sich an Portugal orientieren und »Wege finden, aus der Finanzkrise zu kommen, und gleichzeitig die sozialen Konsequenzen neoliberaler Politik anpacken«.
Zeit hat er dafür unter Umständen nur noch bis August, mit etwas Glück auch bis zum nächsten regulären Wahltermin 2019 - seit Monaten liegt seine Partei SYRIZA in Umfragen hinter den Konservativen zurück.
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