Schönrechnen nach dem Milliarden-Schock

Hessen: Für die renommierten Bühnen in Frankfurt am Main brechen wohl ziemlich unruhige Zeiten an

  • Thomas Maier, Frankfurt/Main
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war ein gewaltiger Schrecken für die Stadtverantwortlichen in Frankfurt am Main: Fast eine Milliarde Euro - so hatten im Sommer Gutachter errechnet - würde die Sanierung von Oper und Schauspiel in der maroden Theaterdoppelanlage kosten. Experten hatten die Kosten für Abriss und Neubau der 1963 gebauten Anlage in der hessischen Bankenmetropole auf bis zu 889 Millionen Euro taxiert. Auch eine Sanierung wäre nur unwesentlich billiger. Damit aber wäre die Rettung der Frankfurter Bühnen noch kostspieliger als der Bau der knapp 800 Millionen teuren Elbphilharmonie in Hamburg.

Ein halbes Jahr später übernimmt Frankfurts Kulturdezernentin Ina Hartwig, die bei Veröffentlichung des fast sieben Millionen Euro teuren Gutachtens gerade ihr Amt angetreten hatte, die Rolle der Mutmacherin. Zusammen mit einer Arbeitsgruppe der Stadtverwaltung hat sie diverse Möglichkeiten zur Kostensenkung ausgelotet. So sollen unter anderem Werkstätten und Probebühnen in ein »Logistikzentrum« an der städtischen Peripherie verlagert werden.

Aber entscheidender: Plötzlich ist der Brandschutz, der neben der Klimaanlage als gravierendstes Problem des Nachkriegsbaus galt, nicht mehr so drängend. Von einem baldigen Ende der Betriebserlaubnis für Oper und Schauspiel, wie es immer wieder drohend geheißen hatte, ist keine Rede mehr. Derzeit sei keine »Gefahr im Verzug«, sagt der Chef der Frankfurter Berufsfeuerwehr, Reinhard Ries, der dpa. »Die Anlagen sind brandsicher.«

»Wir haben Zeit gewonnen«, folgert Hartwig, die der SPD angehört, daraus. Jetzt will sie das gesamte Projekt nochmals von den stadteigenen Experten durchrechnen lassen - mit dem Ziel, dass es am Ende doch noch deutlich billiger wird. Die frühere Literaturkritikerin rechnet damit, dass belastbare neue Zahlen etwa in einem halben Jahr vorliegen. Wie es genau weitergeht, ist also unklar. Sündhaft teuer wird das Projekt auf jeden Fall. Bei einer Totalsanierung oder einem Neubau müsse sich die gesamte Technik am neuesten Stand orientieren, sagt auch Brandschutzexperte Ries. Er glaubt ohnehin, dass das eigentliche Problem des Baus mit seiner riesigen Glasfront die veraltete Klimatechnik ist.

Die Stadt Frankfurt am Main streckt schon mal die Fühler in Richtung hessische Landesregierung aus. Denn auch die reiche Finanzmetropole, die allein durch die Gewerbesteuer 2016 die Rekordsumme von fast 1,9 Milliarden Euro eingenommen hat, kann solch ein Riesenprojekt nicht alleine stemmen.

Für die renommierten Frankfurter Bühnen brechen also wohl unruhige Zeiten an - ob es nun eine Sanierung wird oder ein Neubau. Im letzteren Fall müssten Oper und Schauspiel die Doppelanlage am Willy-Brandt-Platz in der Innenstadt verlassen und auf andere provisorische Quartiere ausweichen, die auch nicht so zentral liegen würden. Einen Neubau an anderer Stelle schließt Hartwig aus. »Es gibt keine verfügbaren Grundstücke in der Innenstadt.«

Für den neuen Schauspiel-Intendanten Anselm Weber, der gerade seine erste Spielzeit in Frankfurt am Main begonnen hat, sind das keine verheißungsvollen Perspektiven. »Ich gehe nicht fünf Jahre in eine Baustelle oder spiele in einer Bretterbude Theater«, sagte er vor einigen Wochen klipp und klar während einer Podiumsdiskussion. dpa/nd

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