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Internet wird dem Markt geopfert
US-Regulierungsbehörde dürfte den Weg für die Abschaffung der Netzneutralität öffnen
Als Donald Trump als eine seiner ersten Amtshandlungen im Januar dieses Jahres den Juristen Ajit Pai zum Nachfolger des gerade zurückgetretenen Chefs der Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC), Tom Wheeler, ernannte, verfolgte der US-Präsident ein Ziel: Pai solle mithelfen, Trumps Credo eines wenig regulierten Marktes umzusetzen. Der FCC kommt dabei eine Schlüsselfunktion zu. Die formal unabhängige US-Regulierungsbehörde wacht über den Wettbewerb auf sämtlichen Telekommunikationskanälen in den Vereinigten Staaten, seien es Internet, Fernsehen oder Radio.
Doch alles spricht dafür, dass Pai als FCC-Chef an diesem Donnerstag selbst dafür sorgen wird, dass seine Behörde eine wichtige Kernkompetenz verliert und sich damit faktisch selbst entmachtet. Eine fünfköpfige Kommission entscheidet dann darüber, ob die unter der Obama-Regierung aufgestellten Regeln zur strikten Netzneutralität abgeschafft werden.
Bisher ist es den US-Internetprovidern untersagt, in den Datenverkehr einzugreifen, etwa indem einzelne Anbieter gegen Bezahlung mehr Bandbreite zur Verfügung gestellt bekommen, während nichtzahlende Dienste ausgebremst oder sogar blockiert werden dürfen. Trump fordert eine völlige Deregulierung, dank Pai dürfte er diese bekommen. Nicht zuletzt, weil der Jurist als ein strikter Gegner der Netzneutralität gilt, was auch damit zu tun haben dürfte, dass der 44-jährige Republikaner früher für Verizon arbeitete. Der Kommunikationskonzern wäre neben anderen Providern wie AT&T und Comcast größter Profiteur einer Deregulierung.
Offiziell argumentieren die Netzanbieter mit zunächst nachvollziehbaren Gründen: Die Einnahmen aus dem Verkauf zusätzlicher Bandbreite an einzelne Dienste sollen in den Ausbau der Internetinfrastruktur fließen. An der Notwendigkeit für Investitionen in Leitungen, Funkmasten und Server mit größeren Kapazitäten zweifelt niemand angesichts weltweit rasant wachsender Datenmengen. Das IT-Marktbeobachtungshaus IDC wagte im Frühjahr dieses Jahres sogar die Prognose, dass sich das globale Datenaufkommen bis 2025 verzehnfachen wird. Mit Blick in die Vergangenheit ist diese Annahme keinesfalls übertrieben. Während in den letzten Jahren vor allem der Boom von Videoplattformen wie Netflix für eine steile Zunahme der Datenmenge sorgten, wird das künftige Wachstum sehr von der immer stärkeren digitalen Vernetzung der Industrie getrieben sein.
Schon in der Gegenwart werden die Netzanbieter durch die Abschaffung der Netzneutralität klar bevorteilt: Längst stellen Provider wie Verizon nicht mehr nur den Zugang zum Internet bereit, sondern treten selbst auch als Produzenten und Vermarkter von Inhalten auf. Erst Anfang der Woche schloss der Telekommunikationsriese mit der US-Footballliga NFL einen Fünfjahresvertrag über 2,5 Milliarden US-Dollar für die Übertragung aller Spiele ab. Dem eigenen Angebot würde Verizon selbstredend ein Maximum an Bandbreite einräumen, während Konkurrenzangebote theoretisch gedrosselt werden könnten. Es sei denn, deren Anbieter zahlen.
Um die Netzneutralität vielleicht doch noch zu retten, veröffentlichten 21 Internetpioniere, darunter Apple-Mitgründer Steve Wozniak, am Dienstag einen offenen Brief, der sich im Titel wie eine Klatsche für die FCC liest: »Sie wissen nicht, wie das Internet funktioniert«, protestieren die IT-Experten. Im Kern zielt die Kritik der Befürworter der Netzneutralität darauf ab, dass die Einteilung des Internets in ein Zweiklassennetz nicht nur kleinere, eher finanzschwache Anbieter von Inhalten benachteiligt, sondern dass es in letzter Konsequenz auch um die Meinungsfreiheit im Web geht. Angebote, die sich eine teure Überholspur nicht leisten können, werden fast zwangsläufig nur noch von einem kleineren Publikum genutzt.
Auch wenn die Entscheidung keinen direkten Einfluss für den Rest der Welt hat, geht davon eine Signalwirkung aus. Fällt die Netzneutralität in den USA, dürften sich auch europäische Telekommunikationsanbieter motiviert fühlen, verstärkt gegen die entsprechende EU-Verordnung vorzugehen, die erst 2016 beschlossen wurde. Diese enthält schon jetzt Schlupflöcher, um eine strikte Gleichberechtigung im Datenverkehr zu umgehen, worüber hierzulande die Bundesnetzagentur wachen müsste. Doch dieser Aufgabe sei die Regulierungsbehörde zuletzt nur zaghaft nachgekommen, monieren Netzaktivisten.
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