Ryanair bremst Streiks aus

Die irische Billigfluglinie schwenkt um / Arbeitskämpfe zur Weihnachtszeit sollen verhindert werden

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Streikankündigungen mehrerer europäischer Pilotengewerkschaften haben bei der in Irland ansässigen Fluggesellschaft Ryanair offenbar Wirkung erzielt. Am Freitag teilte das Unternehmen in Dublin mit, dass man bereit sei, die Organisationen, zu denen auch die deutsche Pilotenvereinigung Cockpit (VC) gehört, offiziell als Interessenvertretung anzuerkennen und Gespräche über Entlohnung, Vertrags- und Arbeitsbedingungen zu führen. Das betrifft die Standorte in Irland, Großbritannien, Deutschland, Italien, Spanien und Portugal.

Noch am Donnerstag hatte das Management Verhandlungen kategorisch abgelehnt. Vorstandschef Michael O’Leary erklärte dabei, eher werde »die Hölle zufrieren«, als dass seine Gesellschaft Tarifverträge mit Gewerkschaften abschließe. Doch drohende Einbußen im lukrativen Vorweihnachtsgeschäft haben offenbar zum Umdenken geführt. Zudem gehen dem Billigflieger allmählich die Piloten aus, da in den vergangenen Monaten viele Mitarbeiter zu anderen Airlines gewechselt sind. Ryanair musste deswegen bereits über 20 000 Flüge streichen.

Eine erste Arbeitsniederlegung der Piloten war bereits für Freitag in Italien angekündigt, wurde aufgrund der Kehrtwende von Ryanair aber ausgesetzt. Die italienische Transportgewerkschaft Fit-Cisl hielt jedoch an dem vierstündigen Streik fest, da es ein Gesprächsangebot nur für die Piloten und nicht für die in ihr organisierten Flugbegleiter gebe, wie ein Sprecher mitteilte. Auch die deutsche Flugbegleitergewerkschaft UFO hält an der Forderung nach Tarifverhandlungen fest, hat bisher aber noch keine konkreten Aktionen angekündigt.

Weitere Streiks sollten am kommenden Mittwoch in Irland und Portugal folgen und auch Cockpit hatte - allerdings ohne Terminankündigung - ihre Mitglieder in Deutschland zum Ausstand aufgerufen. Ein Sprecher der Pilotengewerkschaft erklärte am Freitag, man werde das eingegangene Gesprächsangebot sorgfältig prüfen und dann über das weitere Vorgehen entscheiden. Bei Redaktionsschluss liefen die Gespräche der Beschäftigtenvertreter noch.

Gründe für einen Erzwingungsstreik bei Ryanair gibt es wahrlich genug, falls die Verhandlungen zu keinem Ergebnis führen. Viele Piloten arbeiten als Scheinselbstständige, für die keine Sozialabgaben gezahlt werden. In Deutschland laufen bereits Ermittlungen gegen mehrere Manager der Airline wegen des Verdachts der Hinterziehung von Sozialabgaben. Doch auch die Verträge der Festangestellten haben es in sich. Sie sind kurzfristig kündbar und beinhalten weder eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall noch geregelten Urlaub oder einen Anspruch auf verbindliche Dienstpläne.

Da alle Piloten auf der Grundlage des irischen Arbeitsrechts angestellt sind, welches derartige Verträge ermöglicht, gab es bis vor kurzem kaum Möglichkeiten, dagegen juristisch vorzugehen. Der Europäische Gerichtshof im niederländischen Den Haag hat allerdings vor einigen Wochen entschieden, dass der jeweilige Standort eines Unternehmen auch der Gerichtsstand ist. Die in Deutschland stationierten rund 400 Piloten und 800 Flugbegleiter der Airline können nunmehr hierzulande auch arbeitsrechtliche und soziale Standards einklagen. Bei der Vergütung fordert Cockpit ein Tarifgefüge, das sich an das beim Konkurrenten TUI Fly orientiert. Bislang verdienen Piloten bei Ryanair bis zu 30 Prozent weniger.

Für den irischen Billigflieger hat sich das systematische Lohn- und Sozialdumping bislang ausgezahlt. Branchenexperten schätzen, dass die »Stückkosten« pro transportiertem Passagier mindestens 20 Prozent unter denen von Konkurrenten wie Easyjet liegen. Das dürfte den kometenhaften Aufstieg zur größten Airline Europas mit 117 Millionen beförderten Passagieren im Jahr 2016 entscheidend beflügelt haben. Doch dieser Aufstieg könnte jetzt durch entschlossenes Auftreten der Gewerkschaften jäh gebremst werden.

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