Mesale Tolu kommt vorerst frei

Die deutsche Journalistin wird aus der Untersuchungshaft entlassen / Der Prozess gegen sie geht weiter

  • Nelli Tügel
  • Lesedauer: 2 Min.

Am 30. April war die aus Neu-Ulm stammende Journalistin und Übersetzerin Meşale Tolu in Istanbul vor den Augen ihres zweijährigen Sohnes verhaftet worden. Am 11. Oktober begann der Prozess gegen sie und 17 weitere Angeklagte. Die Staatsanwaltschaft wirft der 33-Jährigen Mitgliedschaft in der linksradikalen, maoistischen MLKP vor. Diese ist in der Türkei als Terrororganisation eingestuft und verboten, in Deutschland hingegen nicht.

Nun wurde am Montag, dem zweiten Prozesstag, entschieden, Tolu gemeinsam mit fünf weiteren Angeklagten unter Auflagen aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Das Gericht in Istanbul folgte damit einem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Angeklagte müsse sich aber wöchentlich bei den Behörden melden und dürfe das Land nicht verlassen, teilte die LINKEN-Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel mit, die als Prozessbeobachterin nach Istanbul gereist war.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, die Freilassung sei eine »gute Nachricht«. Auch Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) äußerte sich erfreut. »Das sind nicht nur gute Nachrichten, sondern das ist auch eine immense Erleichterung«, sagte er. Allerdings betonte Gabriel: »Damit ist das Verfahren noch nicht beendet, aber ein erster, großer Schritt ist damit gemacht.«

Tolu hat im Prozess die Vorwürfe der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und der Verbreitung »terroristischer Propaganda« zurückgewiesen und ihre Freilassung gefordert. Ihr drohen bei Verurteilung bis zu 20 Jahre Gefängnis. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte, man werde jetzt prüfen, wie die Auflagen gegen Tolu begründet seien. Regierungssprecher Seibert bekräftigte zudem, die Bundesregierung setze sich weiter auf allen Ebenen für die Freilassung der deutschen Gefangenen ein. Zu diesen gehört auch der »Welt«-Korrespondent Deniz Yücel. Die Bundestagsabgeordnete der LINKEN Sevim Dağdelen erklärte über den Kurznachrichtendienst Twitter: »Die Haftverschonung von Meşale Tolu freut mich sehr. Endlich kann sie mit ihrem Sohn fern von Gefängnismauern spielen. Es gilt jetzt weiter Druck zu machen: Freiheit für Deniz Yücel und alle anderen politischen Gefangenen.« Auch die Grünen begrüßten die Entscheidung und übten zugleich Kritik am Zustand der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei. »Mit fairen Verfahren hatten und haben die Vorwürfe gegen Meşale Tolu ebenso wie gegen Deniz Yücel und viele andere nichts zu tun«, sagte der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir.

Ähnlich äußerte sich die Organisation »Reporter ohne Grenzen« (ROG) und forderte die türkische Justiz auf, die Anschuldigungen gegen Tolu fallen zu lassen. Sie bleibe eine politische Geisel der Türkei, solange sie das Land nicht verlassen dürfe, sagte der ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. Mit Agenturen

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