»Weilweilweil ...
Kathrin Gerlof über Giftspritzen gegen das Fugengrün vorm Carport und den alten Haudegen Christian Schmidt
... die Kette der Beschwichtigungen ist lückenlos, reißt niemals ab. Was gerade ist, wird krumm gebogen, was krumm ist, reden sie gerade.« Blixa Bargeld von den »Einstürzenden Neubauten« hat wahrscheinlich wenig Grund, in ländlichen Gegenden durch Bau- und Raiffeisenmärkte zu schlendern. Dabei ist das eine schöne und lehrreiche Beschäftigung. Nicht nur, weil es Majoran und Senfkörner in großen Holzbottichen gibt, aus denen man kiloweise schöpfen kann. Hier auf dem Land wird die Leberwurst geklotzt und nicht gekleckert. Schön an den Märkten ist auch der meist gleich im Eingangsbereich stehende große Glasschrank. Der Traum jeder gepeinigten Ehefrau und jedes frustrierten Ehemannes. Tötungsmittel in allen Varianten, Konzentrationen, Größenordnungen. Sage noch jemand, in Deutschland gibt es keine Sterbehilfe. Wer sich in einem Bau- oder Gartenmarkt die Angebotspalette von Unkraut-, Insekten- und Schädlingsbekämpfungsmitteln anschaut, weiß, dass es immer einen Weg gibt, Lebewesen aus dem Weg zu räumen. Trotz strenger Waffengesetze. Und wer an einem Samstagvormittag mal durch heimelige Dörfer gelaufen ist und vermummte Männer dabei beobachtet hat, wie sie dem Fugengrün auf der Einfahrt zum Carport mit einer Giftspritze den Garaus machen, ahnt, dass es vielleicht gar keine gute Idee ist, beim gemütlichen Abendessen Widerworte zu leisten oder gar mit Trennung und Versorgungsausgleich zu drohen.
Der Renner ist natürlich - nicht für die Ehefrau oder den Ehemann, aber für das elende Fugengrün - Glyphosat, das aber eigentlich Roundup heißt.
Kathrin Gerlof ist Schriftstellerin und Journalistin und lebt in Berlin.
Zum Jahresende haben wir ein wenig gerätselt, warum unser Landwirtschaftsminister, der mit Gänsen nicht über Weihnachten, mit Bauern nicht über Subventionsabbau und mit Konzernen nicht über krebserregende Unkrautvernichter redet, so ganz und gar gegen den Willen der Kanzlerin die entscheidende Stimme zur weiteren Zulassung von Glyphosat abgegeben hat. Fünf Jahre dürfen wir das Zeug nun mindestens noch auf unseren Tellern genießen. Im Onlinehandel ist es - wie die Grünen mittels einer Studie herausgefunden haben - noch einfacher zu haben als im Baumarkt, wo man ja meist jemanden bitten muss, einem die Tür zum Glasschrank ganz vorn in der Eingangszone und somit zur Seligkeit aufzuschließen. Christian Schmidt, so heißt unser Landwirtschaftsminister, wird uns nie verraten, von wem er sich hat »überreden« lassen, so gegen seine Chefin zu opponieren. Vielleicht waren es nur warme, eindringliche Worte, die ihn überzeugt haben, vielleicht das Versprechen auf einen hübschen Beraterposten nach seiner großen Ministerära. Wir werden es in zwanzig Jahren oder nie erfahren. Denn möglich ist auch, dass Christian Schmidt sich ganz einfach selber oft davon überzeugen konnte, wie schnell das Fugengrün mit Hilfe der Chemiebestie verschwindet und dann ist er mal die Krebsstatistik seiner näheren Umgebung durchgegangen und siehe da, keine Auffälligkeiten. Empirie ist für gute politische Entscheidungen unerlässlich, Schmidt wird also wissen, was er tut.
Der Bundesnachrichtendienst »Heute im Bundestag« - kurz HiB genannt - hat noch vor Jahresende vier parlamentarische Initiativen vermeldet, deren Titel so klingen: SPD will Ausstieg beim Glyphosat, Nationale Strategie für Glyphosat, LINKE fordert Verbot für Glyphosat, Grüne fordern Ende von Glyphosat. Jetzt mal nicht an den Präpositionen festhalten, denn es ist mitnichten so, dass die LINKE etwas für Glyphosat möchte, sie will es weghaben. Und klar ist, dass nur die FDP gleich eine Nationale Strategie fordert, obwohl die ganze Scheiße ja im EU-Parlament beschlossen worden ist.
Was wirklich hoffnungsvoll stimmt: Auch 2018 wird es, selbst wenn sich Leute im Bundestag eigentlich einig sind, kaum interfraktionelle Initiativen geben. Monsanto und Bayer wissen das, Schmidt, der alte Haudegen, weiß das auch.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.