Die Querfront der Querfrontschreier und Neoliberalen

Roberto J. De Lapuente über gemeinsame Themen von Links und Rechts und die unterschiedlichen Gründe dafür, sie zu behandeln

  • Roberto J. De Lapuente
  • Lesedauer: 4 Min.

Man kann es ja nicht mehr hören. Linker Zeitgeist scheint sich dieser Tage an einer Frage aufzuhängen: Gibt es eine Querfront oder ist dieser Vorwurf nur eine Kampagne innerhalb der Linken? Spielt man links den Adapter für Themen, die Rechte einem angeblich diktieren, oder fingiert man diese angeblichen Gemeinsamkeiten bloß? Vorab muss man schon mal bekennen: Wenn dies linke Lebensart ist zu einer Zeit, da wir es mit fatalen Verwerfungen in der demokratischen und ökonomischen Struktur zu tun haben, dann haben wir ein richtig dickes Problem.

Es gibt Themen, die auf linker wie rechter Seite gleichermaßen zur Sprache kommen. Der Umgang mit den Schwächsten in der Gesellschaft etwa, die Frage wie wir Zuwanderung organisieren wollen. Und dann ist da noch der Meta-Aufhänger, der Ur-Nenner gewissermaßen: »Merkel muss weg!« Die Linken in diesem Land sagen das seit mindestens 2005 – davor riefen sie: »Angela Merkel soll gar nicht erst ran!« Das neue rechte Lager erbrüllt den Abschied der Bundeskanzlerin erst seit zwei, drei Jahren. Vorher waren die selben Leute noch überzeugt davon, dass diese Frau einen guten Job macht. Besonders in Europa, gegen Griechenland und schön fanden sie es außerdem, dass die Europäer wieder Deutsch sprachen.

Beide Seiten rufen aber aus gegensätzlichen Gründen dieselbe Parole. Sie ist, wie gesagt, der gemeinsame Nenner. Was über dem Strich steht, der Zähler – um es mal bruchrechnerisch auszudrücken –, ist völlig verschieden. Denn Linke zählen andere Gründe auf als Rechte. Für die rechten Schreihälse zählt etwas ganz anderes. Sie sehen Merkel als Volksverräterin, als Mutter der Islamisierung und Überfremdung. Solche Kritikpunkte erntet sie von links nicht. Dort ist es vornehmlich ihre Haltung zur sozialen Ungleichheit, die anstachelt. Dass dabei auch ihre Flüchtlingspolitik – vor allem ihre unterlassene Flüchtlingspolitik – kritisiert wird, liegt auf der Hand, denn sie ist ein Aspekt von Sozialpolitik.

Man wirft ja seit geraumer Zeit diversen Mitgliedern der Linkspartei Rechtsruck und Querfront vor, weil sie die Frage von Zuwanderung oder Asyl nicht ganz von den realpolitischen Ansätzen absondern. Sie würden damit ja gewissermaßen der AfD in die Hände spielen und deren Themen aufgreifen. Natürlich behandelt man dasselbe Thema. Und natürlich hat man der Willkommenskultur eine Abfuhr erteilt. Ist das aber Querfront, nur weil man dasselbe Thema bedient? Weil man Schlüsse zieht, die auf den ersten Blick unter Umständen denen ähneln, die die Rechtspopulisten ihr geistiges Eigentum nennen? Ist das alles Einheitsbrei?

Unterschiede gibt es auch in der argumentativen Syntax. Hinter jeder politischen Absicht steckt ein gewisses Welt-, Gesellschafts- und Menschenbild, auf dessen Grundlage man Politik begreift. Die zu kennen, sie als Basis politischer Entscheidungsfindung immer im Hinterkopf zu behalten, ist ein wesentlicher Aspekt der Wahrnehmung. Es ist nämlich durchaus ein Unterschied, ob die Linke gegen ungebremste Einwanderung ist, weil sie argumentiert, man müsse Not und Armut viel stärker dort bekämpfen, wo sie Menschen zur Auswanderung bewegt. Oder ob die Rechte das fordert, weil sie darin eine Überfremdung und rassische Gefährdung wittert.

Unterschlägt man diese Unterscheidung, wirft alles in einem Topf, so macht man sich als Kritiker beliebig. Die Vorwürfe zur Querfront sind so eine Beliebigkeit. Man kann ja durchaus kritisch finden, wenn Politiker der Linkspartei Zuwanderung reglementieren wollen – das ist Ansichtssache und gründet sich auf die Argumentation, mit der man solche Gedanken vorbringt. Sie aber dann als Protagonisten der Querfront zu skizzieren, das macht den Vorwurf zu einem beliebigen Statement ohne Sachgehalt. Zu einer Gleichmacherei ganz im neoliberalen Stil. Denn es sind ja ausgerechnet jene Neoliberalen, die seit Jahrzehnten etwas davon erzählen, dass es Links wie Rechts gar nicht mehr gibt. Alles sei Mitte und Klassen gäbe es übrigens auch nicht mehr.

Diejenigen, die sich dieser Tage tief im querfrontalen Kampf verstricken, die viel Energie in Diskussionen zu Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine oder Ken Jebsen stecken, gehen damit also ihrerseits eine Querfront mit dem Wirtschaftsliberalismus ein – mit dem größten Kontrahenten, den die Linke hat.

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