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Die Dominanz der Seeheimer

In der SPD sitzen Politiker aus dem konservativen Parteispektrum an den Schalthebeln. Sie würden eine erneute Große Koalition begrüßen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Redaktion des »Vorwärts« war man schockiert. In den vergangenen Wochen sei der Hass im Netz gegen den Seeheimer Kreis eskaliert, meldete die SPD-Zeitung am Dienstag in ihrer Onlineausgabe. Anlass hierfür sei ein Strategiepapier der Seeheimer zur Zukunft der Partei von Anfang Dezember gewesen. Bezeichnungen wie »Neoliberale Spargelschiffer«, »Totengräber der SPD«, »Pack« und »rechtes Seeheimervolk« seien daraufhin neben schärferen Beleidigungen auf der Facebookseite des »Vorwärts« zu lesen gewesen.

Zwar sind solche Ausdrücke keine Basis für eine argumentative Auseinandersetzung mit der konservativen SPD-Strömung, aber der Unmut über die Seeheimer im Umfeld der Sozialdemokraten ist durchaus nachvollziehbar. Denn nach der Wahlniederlage vom September vergangenen Jahres haben sie ihre Macht in der Partei ausgebaut. Zudem fungieren sie als Bollwerk gegen eine Linkswende der SPD.

Wer alles den Seeheimern angehört, ist nicht leicht herauszufinden. Denn auf ihrer Website ist nur der elfköpfige Sprecherkreis aufgeführt. In der vergangenen Legislatur sollen 70 Abgeordnete der SPD-Bundestagsfraktion der 1974 gegründeten Strömung angehört haben. Nach der Bundestagswahl dürfte sich diese Zahl kaum geändert haben. Zudem fühlen sich auch Sozialdemokraten, die nicht im Bundestag sitzen, den Seeheimern zugehörig. Die »FAZ« hatte berichtet, dass der heutige SPD-Chef Martin Schulz seit den 90er Jahren zum Seeheimer Kreis gehöre. Zu diesem Zeitpunkt war er noch Mitglied des Europäischen Parlaments.

Neben Schulz ist auch der kürzlich neu gewählte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ein Seeheimer. Gleiches gilt für den Parlamentarischen Geschäftsführer Carsten Schneider und den Bundestagsvizepräsidenten Thomas Oppermann. Damit sind die konservativen Seeheimer, die in der Schröder-Ära vehement die neoliberale Agenda 2010 verteidigt hatten, deutlich stärker in der Partei- und Fraktionsspitze vertreten als die SPD-Strömung Parlamentarische Linke. Bei der Verteilung der Bundesministerien in der Großen Koalition konnten sie vor vier Jahren zudem die wichtigsten Posten abgreifen. Eine deutliche Grenze zwischen den Seeheimern und der dritten Gruppe in der SPD-Fraktion, dem Netzwerk Berlin, kann nicht gezogen werden. Denn es gibt zahlreiche Doppelmitgliedschaften. Auch die Kanzlerkandidaten der vergangenen Jahre, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück, waren Mitglieder der Seeheimer.

Der Kreis, der viele Jahre im südhessischen Seeheim an der Bergstraße getagt hatte, hätte gegen eine Fortsetzung der Großen Koalition nichts einzuwenden. Einige SPD-Linke hatten den konservativen Sozialdemokraten in der Vergangenheit vorgeworfen, dass sie auch deswegen ein solches Bündnis befürworten, weil sie dann die Umverteilungsforderungen aus dem eigenen Programm nicht umsetzen müssten.

Nachdem diese Forderungen weitgehend aus dem Wahlprogramm der SPD gestrichen wurden, konzentriert sich der Seeheimer Kreis darauf, den Status quo zu verteidigen. In ihrem Papier, das Anfang Dezember veröffentlicht worden ist, heißt es etwa, dass es »mit Blick auf unser Wirken in der vergangenen Großen Koalition und auf unser von Gerechtigkeit geprägtes Wahlprogramm keiner radikaleren Positionierung« bedürfe.

Den konservativen Sozialdemokraten würde es wohl auch entgegenkommen, wenn eine ernsthafte Aufarbeitung der Bundestagswahlniederlage, als die SPD nur noch 20,5 Prozent der Stimmen erhielt, ausbleiben würde. »Wir dürfen nicht in eine Oppositionsromantik verfallen und uns nur noch mit uns selbst beschäftigen«, schreiben die Seeheimer.

Im »Vorwärts« hat der Sprecher der Strömung, Johannes Kahrs, nun die Möglichkeit erhalten, auf seine internen Kritiker zu reagieren. »Ein bisschen mehr Toleranz, ein bisschen mehr Zusammenhalt können sicher nicht schaden. Man sollte sich nicht gegenseitig absprechen, ein guter Sozialdemokrat zu sein«, forderte er. Dass Kahrs mit solchen Aussagen die Wogen glätten kann, ist allerdings nicht absehbar. Sollten die am Sonntag beginnenden Sondierungsgespräche mit der Union erfolgreich abgeschlossen werden, wird eine heftige Auseinandersetzung in der SPD über eine erneute Regierungsbeteiligung als Juniorpartnerin in einer Großen Koalition erwartet.

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