Verwaltung eines Mangels

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 2 Min.

Dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe den Nummerus clausus im Fach Medizin als in Teilen verfassungswidrig erklärt hat, sorgte Ende letzten Jahres für ein breites Medienecho. Unter anderen lieferte zeit.de eine Skizze über dessen Folgen. So brauche es künftig einen »Ausgleichsmechanismus«, um die unterschiedliche Gewichtung der Zensuren je Bundesland »vergleichbar« zu machen, sei doch eine 1,0 in Bayern »mehr Wert« als eine in Thüringen. Auch dürfe nicht länger der NC des Studienortes »maßgeblicher« sein als die Abinote. Derzeit scheide beispielsweise jemand für Berlin aus, wenn er einen Notenschnitt von 1,1 statt einen von 1,0 habe. Folglich müssen Universitäten zu bundesweit »standardisierten und strukturierten Auswahlkriterien« jenseits der Note »verpflichtet« werden. Und die Wartezeit brauche eine »Obergrenze«.

Leserkommentatoren auf zeit.de wie Realsatirepolitik sehen die Medizin nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am Abgrund. »In zwanzig Jahren wird wegen unzähliger Fälle von Ärztepfusch wieder zurückgerudert, weil zu viele nicht ausreichend qualifizierte Studenten den prestige- und finanzträchtigen Glamourberuf ergriffen haben.« Interessant ist auch Matt Alders Rechnung: »Fällt der NC, gibt es meist in den ersten Jahren eine Schwemme an Studienbewerbern. Darauf ist keine Uni eingerichtet. Also kürzt man die Studierendenzahlen durch Erhöhung der Durchfallerquote. Bis zum Physikum ist dann die Zahl wieder auf den Wert geschrumpft, den es zu diesem Zeitpunkt auch früher schon gab.«

Im Bericht von spiegel.de wird hervorgehoben, dass das Bundesverfassungsgericht zur »Klärung« neben der Stiftung für Hochschulzulassung, Vertreter der Bundesländer, Medizinstudenten, diverser Ärzteverbände und Experten über »Erfahrungen mit alternativen Zugangstests« angehört habe. Und sueddeutsche.de sieht im Mangel an Studienplätzen ein Problem. Kamen 2008 noch 48 500 Bewerber auf 10 000 Studienplätze, waren es 2013 bereits 62 400 auf 10 7000 und 2017 rund 62 000 Bewerber auf 10 800 Plätze. Anders als in den 1970er Jahren erklärten die Richter, dass es keinen rechtlichen »Anspruch auf Schaffung neuer Studienplätze« gebe, klärt die Zeitung auf. 1972 wurde mit dem Urteil der Staat in die Verpflichtung genommen, für »mehr Studienplätze« zu sorgen und erst dann auf den NC zurückzugreifen, wenn die Kapazitäten der Universitäten »wirklich ausgeschöpft« seien. Im Ergebnis habe dies zu einer »Klageindustrie« geführt. Es hätten sich vor allem diejenigen, die »Geld aber keine entsprechenden Noten« hatten, eingeklagt. So gesehen, sei das jetzige Urteil »illusionslos pragmatisch«. Lena Tietgen

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