- Wirtschaft und Umwelt
- Vorstadt
Levittown wird 70
Der Ort vor den Toren New Yorks gilt als »Mutter aller Vorstädte«
Wenn das rund eine Fahrstunde östlich der Millionenmetropole New York gelegene Levittown wie das übererfüllte Klischee der amerikanischen Vorstadt wirkt, dann, weil es genau das ist - und mehr: Levittown ist der Beginn der auf dem Reißbrett geplanten amerikanischen Suburbia, die Mutter aller Vorstädte. 1947 zogen die ersten Familien in die Häuschen ein und im Januar vor 70 Jahren wurde die Vorstadt offiziell Levittown getauft. »Alles Gute zum 70. Geburtstag, wahre amerikanische Suburbia«, schrieb das »Wall Street Journal«.
Der Name stammt von der Firma Levitt & Sons, die das Vorstädtchen entwarf und baute. Die Kartoffelfelder auf Long Island waren damals günstig zu haben und Millionen Amerikaner auf der Suche nach ihrem eigenen Heim, darunter viele aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrte Soldaten, die Familien gründen wollten. Massenproduziert entstand zeitweise alle 16 Minuten ein neues weißes Häuschen in Levittown, am Ende des Jahres 1951 waren es fast 17 500. Vier Zimmer und ein Badezimmer gab damals für rund 7000 Dollar. Die Mütter konnten mit den kleinen Kindern zu Hause bleiben, die Väter zur Arbeit nach Manhattan pendeln. »Wir sind keine Bauarbeiter, wir sind Fabrikanten«, sagte der 1994 gestorbene William Levitt einmal. Seine Firma bezeichnete der »Vater der amerikanischen Suburbia« als »General Motors des Hausbaus«.
Inzwischen haben viele Häuser in Levittown mehrfach ihren Besitzer gewechselt. Viele sind um- und ausgebaut worden und sehen nicht mehr alle gleich aus. »Es gibt vielleicht noch fünf oder sechs Häuser in der Gegend, die ungefähr so aussehen wie 1947«, sagt Paul Manton von der Levittown Historical Society. Das Vorstädtchen gehört heute zu Hempstead, hat rund 52 000 Einwohner und die Häuser verkaufen sich durchschnittlich für rund 380 000 Dollar (320 000 Euro).
Für viele war Levittown der amerikanische Traum, andere gruselten sich davor. Die Vorstadt sei eine »gleichförmige Umgebung, aus der man nicht fliehen kann«, schrieb der Historiker Lewis Mumford und Louise Cassano, die als Kind mit ihren Eltern nach Levittown zog, bemängelt die »fehlende Kultur«.
Zudem waren in den ersten Jahrzehnten nicht nur die Häuser der Vorstadt vollkommen weiß, auch die Menschen, andere Käufer waren nicht zugelassen. »Das Erbe von Levittown ist die symbolische Rassentrennung in Amerika«, sagte Eugene Burnett, der einst ein Haus in Levittown kaufen wollte, als Afroamerikaner aber abgewiesen wurde, der »New York Times«. Immer noch sind rund 89 Prozent der Einwohner weiß.
Lokalheld von Levittown ist der Sänger Billy Joel, der dort aufwuchs und das Vorstädtchen mehrfach in seinen Songs erwähnt hat. Erbauer Levitt baute noch mehrere andere Levittowns, inzwischen ist die danach von seinen Söhnen geleitete Firma jedoch bankrott gegangen.
Levittown vor den Toren New Yorks aber lebt weiter, als Mythos aller US-Vorstädte - und der Mythos gedeiht. »Amerika bleibt ein weitgehend vorstädtisches Land«, heißt es in einem Bericht der Forschungseinrichtung Urban Land Institute aus dem Jahr 2016.
In den 50 größten Metropolregionen des Landes leben fast 80 Prozent der Menschen in Vorstädten. »Das vorstädtische Hausangebot in den USA entwickelt sich schnell und ist gut positioniert, um in den kommenden Jahren der Ort zu bleiben, wo die meisten Amerikaner leben und arbeiten.« dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.