Erdogan droht mit Angriff in Nordsyrien

Verhältnisse im Mittleren Osten werden neu geordnet

  • Jan Keetman und René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Der jüngsten Ankündigung Recep Tayyip Erdogans, in den nächsten Tagen werde eine Säuberungsaktion gegen die kurdische Provinz Afrin und die Region Manbij beginnen, ging ein massiver Aufmarsch des türkischen Militärs voran. Am Sonntag wurden auch Panzer, die man wegen des Unabhängigkeitsreferendums der irakischen Kurden an der dortigen Grenze aufgestellt hatte, per Eisenbahn an die syrische verlegt. Es gab zudem offenbar einige Scharmützel. Warum diese Entwicklung?

Die Türkei fühlt sich in Syrien von allen Seiten übergangen. Moskau besteht darauf, dass auch Kurden an der geplanten Friedenskonferenz in Sotschi Ende Januar teilnehmen. Offiziell werden es keine Vertreter der Partei der demokratischen Union (PYD) sein, die der PKK nahe steht. Aber die PYD wird ihren Einfluss haben. Ihr bewaffneter Arm, die sogenannten Volksverteidigungseinheiten (YPG), wird sowohl von Washington als auch von Moskau hofiert. Als klar wurde, dass Ankara kurdische Teilnehmer in Sotschi nicht verhindern kann, begann der türkische Aufmarsch.

Zumal die syrische Armee zum Jahresbeginn mit Unterstützung der russischen Luftstreitkräfte eine Großoffensive gegen das letzte größere Rebellengebiet um Idlib begonnen hat. Hier sollte eigentlich die türkische Armee einen Waffenstillstand überwachen. Ein großer Teil der Rebellen dort arbeitet eng mit Ankara zusammen. Nun sind neue Flüchtlingsströme Richtung Türkei zu erwarten. In Ankara bestellte man die Botschafter Russlands und Irans ein, um ein Ende der Offensive zu erreichen. Doch sie geht weiter.

Am Sonntag erklärte der Sprecher der Anti-IS-Koalition, man habe bereits mit dem Aufbau einer Grenzschutztruppe von 30 000 Mann begonnen, die zur Hälfte von den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) kommen soll. Die wiederum werden von der kurdischen YPG-Miliz dominiert.

Die USA wollten an der Grenze zur Türkei eine »Terrorarmee« gründen, klagte Erdogan am Montag in Sincan. »Jetzt liegt es an uns, diese Terrorarmee zu erdrosseln, bevor sie noch geboren wird.« An die »strategischen Partner« appellierte er, sich »nicht zwischen uns und die Mörderbanden« zu stellen. »Andernfalls übernehmen wir keine Verantwortung für unerwünschte Vorfälle, die sich ergeben könnten.« Die Türkei wolle nicht gezwungen werden, »jene, die auf der Seite der Terroristen stehen, unter die Erde zu bringen«. Auch die syrische Regierung hat die US-Pläne scharf kritisiert. Diese wären eine »schamlose Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität« Syriens, so das Außenministerium in Damaskus am Montag.

In das Gesamtbild der neuen Spannungen gehört auch das plötzliche Wiedererscheinen des Islamischen Staates (IS) in zahlreichen Dörfern der Provinz Hama, die vorher zum Rebellengebiet von Idlib gehörten. Mit der Anwesenheit der Dschihadistenmiliz haben ja Russland, die USA und die Türkei ihr Agieren im syrischen Bürgerkrieg begründet. Auch Präsident Baschar al-Assad kämpft nach eigener Darstellung vor allem gegen islamistische Terrorristen wie den IS. Wie es dieser nun wieder nach Hama geschafft hat, ist eine offene Frage.

Ankaras Armee jedenfalls scheint besser denn je für einen Angriff auf Afrin vorbereitet zu sein. Im Norden und Westen grenzt die Provinz an die Türkei. Im Osten stehen seit ihrer ersten Invasion in Syrien ohnehin türkische Truppen. Und seit sie zur Überwachung des Waffenstillstandes in Idlib einmarschiert sind, ist die Armee nun auch im Süden präsent und hat Artillerie aufgefahren. Hinzu kommt, dass Teile der arabischen Bevölkerung, insbesondere in Manbij, mit der kurdischen Dominanz keineswegs zufrieden sind und die türkischen Verbände als Befreier begrüßen könnten.

Die Bundesregierung wiederum plant den bislang von der Bundeswehr belieferten und ausgebildeten Peschmerga-Kämpfern in Irak die Unterstützung zu streichen. Man orientiert jetzt mehr auf Hilfe für die von den Kurden verhasste Zentralregierung in Bagdad. Zugleich versprach Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bei ihrem Wochenendbesuch in Amman eine verstärkte Ertüchtigungsinitiative für Jordanien. Es gelte, das Königreich als »Anker der Stabilität« im Nahen Osten zu unterstützen.

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