- Politik
- Trump-Anhänger in den USA
»Einer von uns«
Nur ein gutes Drittel der US-Amerikaner steht hinter Trump. Zu seinen Anhängern gehören auch rechte Medien, deren Klientel er gleicht
»Wir nahmen ihn ernst, wir glaubten an ihn«, sagt die 45-jährige Renee Elliott, »ihn zu wählen war eine ausgemachte Sache, für die meisten von uns.« Denn Trump würde, so die Stimmung damals, die Belegschaft des Klimaanlagenherstellers Carrier im USA-Bundesstaat Indiana retten. »Er klang wie ein richtiger Unternehmer, er sagte doch immer ›America First‹ und dass er mit diesem Auslagerungsmist ins Ausland Schluss machen würde.«
Die alleinerziehende Mutter hatte sich in ihren fünf Jahren bei Carrier zu fast 18 Dollar die Stunde hochgeschuftet. Dann kam die Ankündigung von Carrier, das Werk nach Mexiko zu verlagern - woraufhin Trump im Wahlkampf 2016 mehrfach »das große, schöne Werk« zu retten versprach. Tatsächlich behielt Elliott zunächst ihren Job. Denn Trump und sein Vize Mike Pence, der ehemalige Gouverneur von Indiana, hatten die Firma mit Steuererleichterungen in Millionenhöhe dazu veranlasst, einen Teil der Produktion in dem Bundesstaat zu belassen. Doch schon ein halbes Jahr nach Trumps Amtseinführung begann die Entlassungswelle bei Carrier.
Elliott gehört zu den 200 Beschäftigten, die diesen Monat gehen müssen. Sie sitzt im Grillrestaurant Sully’s gleich gegenüber dem Werk und schluchzt. Etwas später versammeln sich hier Gewerkschafter, um sich über das weitere Vorgehen zu beraten. Der ehemalige Präsident der örtlichen Stahlarbeitergewerkschaft, Chuck Jones, nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. In seiner Rede sagt er: »Trump ist ein Lügner und ein Idiot, er ist schlichtweg ein Betrüger, der uns einen Sack voller Scheiße verkauft hat.« Elliott und ihre KollegInnen nicken.
Reportagen über enttäuschte Trump-Wähler wie diese im Magazin »New Yorker« häuften sich in amerikanischen Medien, je näher der Jahrestag von Trumps Amtseinführung rückte. Der Tenor: Die betrogene Arbeiterklasse beginnt jetzt, wo es zu schmerzen beginnt, ihren Fehler langsam einzusehen. Doch das darin gezeichnete Bild vom weißen Proleten, der einen autoritären Geisteskranken ins Weiße Haus gewählt hat und das jetzt bereut, ist äußerst schief.
Denn es waren tatsächlich die Bezieher mittlerer und höherer Einkommen, die mehrheitlich für Trump stimmten. Laut einer »exit poll« der »New York Times«, einer Blitzumfrage gleich nach dem Wahlgang an jenem Novembertag 2016, gewann der Immobilienmogul und Reality-TV-Star im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt bei Wählern, die folgende Kriterien aufwiesen: christlich, konservativ, männlich, weiß, mittleren und höheren Alters, aus kleineren, nichtstädtischen Gemeinden und mit einem Jahreseinkommen von mindestens 50.000 Dollar.
Probe aufs Exempel im Örtchen Cedar Grove im Bundesstaat New Jersey, eine Dreiviertelstunde von New York entfernt. 2745 wählten damals Hillary Clinton, aber mit 3785 Stimmen erhielt Trump weitaus mehr. Kilometerlange, von Bäumen gesäumte, zweispurige Straßen, ein gepflegtes Einfamilienhaus nach dem anderen, ausladende Garageneinfahrten - Mittelschichtswohlstand. Im Wahlkampf 2016 war die Mountain Avenue als Trump-Hochburg ausgewiesen. In jedem zweiten Vorgarten steckte ein Trump-Pence-Schild. Clinton war dagegen abwesend. Ein Jahr später ist die Politwerbung entfernt, dafür lässt so mancher Republikaner die spießige Weihnachtsbeleuchtung weiter blinken.
Der Mittfünfziger Frank Ferry hat sich entschlossen, aus Anlass von Trumps Rede an die Nation am 30. Januar die große Stars-and-Stripes an der Fahnenstange im Vorgarten aufzuziehen. »Ein eindeutiger Republikaner« sei er, »und das schon immer gewesen«, sagt Ferry. Als Kleinunternehmer - er besitzt in einem Nachbarort einen Gartenbaubetrieb mit sieben Angestellten - sei er »von Haus aus für unseren Kapitalismus und den freien Markt«.
Trump habe er mit Widerwillen gewählt, weil der »ein zu loses Mundwerk hat, was dem Geschäft nicht immer nutzt«. Aber andererseits habe sich Trump als »äußerst erfolgreicher Geschäftsmann hervorgetan«. Man dürfe Trumps Ausfälle »nicht missverstehen«. Er rede eben, »wie ihm das Maul gewachsen ist«. Das sei nach den Obama-Jahren »mit dieser inhaltslosen political correctness immer wieder erfrischend«. Dass Trump afrikanische Länder und Haiti als »shit holes« (Dreckslöcher) bezeichnete, sei zwar Gossensprache, aber »eben auch so, wie der normale Amerikaner redet«.
Fox ist zu einer Art Staatsfunk geworden, bei dem Trump und der Sender einander die Bälle zuwerfen. Trump ruft teilweise mehrmals täglich dort an und lobt oder kritisiert die Berichterstattung.
In Ferrys Wohnzimmer läuft auf einem Großbildschirm der rechte TV-Sender Fox. Gerade werden dort von einer »Expertenrunde« die jüngsten Rekordhöhen der Wall-Street-Börse gefeiert. Diskutiert wird eine Twittermeldung des Präsidentensohns Eric Trump, die vom Fox-Moderator Lou Dobbs weitergetwittert und dann erneut vom Präsidenten zitiert wurde.
»Der Aktienmarkt hat unglaubliche 7,8 Billionen Dollar an Marktwert dazugewonnen, seit @POTUS gewählt wurde! Sieht aus wie vier Prozent Wachstum, geringste Nachfrage nach Arbeitslosengeld seit 44 Jahren, und Arbeitslosenrate von Schwarzen auf Niedrigststand (6,8 Prozent) aller Zeiten! MakeAmericaGreatAgain«. Ferry grinst: »Auf CNN hörst du so etwas nicht. Was anderes, als den Präsidenten für verrückt zu erklären, haben sie nicht zu bieten.« Zum Abschluss gibt der Kleinunternehmer Ferry dem Journalisten den Rat auf den Weg »Follow the money, alles andere ist Theaterdonner.«
Die Mehrzahl der Amerikaner lehnt Trump nach wie vor ab. Laut einer Gallup-Erhebung befindet er sich im Vergleich zu anderen USA-Präsidenten nach einem Jahr im Amt auf einer Rekordtiefe von 39 Prozent, die ihn befürworten. Dass er umgekehrt auf Millionen von loyalen Anhängern zählen kann, liegt nicht unwesentlich an den medialen Echokammern à la Fox.
Der rechte Sender steht zwar nicht mehr wie vor Trumps Regentschaft an der einsamen Spitze der Zuschauerzahlen. Aber trotz der stärker werdenden Konkurrenz durch den zu den Demokraten tendierenden Sender MSNBC hält Fox die Stellung. Nach einer aktuellen Untersuchung des Magazins »Vanity Fair« anhand von Interviews mit hochrangigen Fox-Angestellten, ist Fox zu einer Art Staatsfunk geworden, bei dem Trump und der Sender einander die Bälle zuwerfen.
Trump ruft teilweise mehrmals täglich dort an und lobt oder kritisiert die Berichterstattung. Laut einem Vorstandsmitglied des Senders hat Trump »dieselbe paranoide Sichtweise wie ein typischer Fox-Zuschauer - dass ›die liberalen Eliten mich hassen, dass sie mich niederringen wollen‹«. Oft lobe Trump einen Bericht - und kurz darauf erscheinen dessen »Informationen« in einem seiner Twitternachrichten. Für Fox wiederum ist Trump eine garantierte Einkommensquelle, je weiter rechts und Trump-freundlich sich der Sender präsentiert. Fox habe sich im vergangenen Jahr zu einem »sicheren Hafen für Trump-Fans entwickelt«, wurde ein Vorstandsmitglied zitiert.
Unterdessen meldete sich anlässlich des Jahrestages der Trump-Gegner David Frum, seinerseits früherer Redenschreiber für George Bush und ein führender Neokonservativer, der dann zur Wahl von Clinton aufgerufen hatte, mit einer eindringlichen Warnung zu Wort. Er sehe die Gefahr der »Normalisierung« der Trump-Regierung. »Die Aktien steigen, die Steuern sinken, die Geldautomaten spucken weiterhin Geld aus, einen Atomkrieg gab es bislang nicht.«
Aber, so Frum in der Zeitschrift »The Atlantic« weiter, »wir haben uns an die Lügen, die Schikanen und das Geprotze gewöhnt«, an Demokratieabbau, an das Mitschwimmen im Strom und an die angeblich reinigende Kraft der Institutionen. Das Land schwebe »in Gefahr, das Inakzeptable scheibchenweise zu akzeptieren«. Was zu tun sei? Dazu hatte Frum keine Vorschläge zu machen.
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