Macrons Schieflage

Zwischenbilanz der Wirtschaftspolitik fällt zu Gunsten der Reichen aus

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Für die Losung, dass Emmanuel Macron ein »Präsident der Reichen« ist, gibt es jetzt konkrete Belege. Während seine Wirtschafts- und Steuerreformen vom Ansatz her eigentlich allen Franzosen zugute kommen sollen, profitieren tatsächlich vor allem die reichsten davon. Zu diesem Ergebnis kommt eine vor wenigen Tagen veröffentlichte Zwischenbilanz des unabhängigen Konjunkturbeobachtungsbüros OFCE nach den ersten acht Monaten Amtszeit des Präsidenten. So entfallen auf die fünf Prozent der reichsten Haushalte 42 Prozent des Kaufkraftgewinns, stellt die Studie fest.

Dafür hat vor allem die Abschaffung der »Reichensteuer« RSI gesorgt, die bisher alle Haushalte mit mehr als 1,7 Millionen Euro Eigentum zu zahlen hatten und jetzt durch eine moderate Abgabe allein für Immobilieneigentum ersetzt wurde. So hofft Macron, die Reichen veranlassen zu können, mehr Geld in produktive Bereiche der Wirtschaft zu investieren. Außerdem werden Kapitalerträge nur noch pauschal mit 30 Prozent besteuert. Dagegen wurde für die schlechter gestellten Franzosen das staatliche Wohngeld um pauschal fünf Euro gekürzt und ein Großteil der aus dem Staatshaushalt finanzierten Hilfsjobs bei Kommunen oder Vereinen wurde gestrichen.

Dabei hatte der Minister für Öffentliche Ausgaben, Gérald Darmarin, von einem »Kaufkraftgewinn für alle Franzosen« geschwärmt, als drei Tage vor Weihnachten der Haushalt für 2018 ohne großen Kontroversen vom Parlament verabschiedet wurde. Tatsächlich schlugen die neuen Maßnahmen sofort bei den Haushalten mit dem höchsten Kapitaleigentum zu Buche, während bei den einkommensschwächsten Haushalten die leichte Anhebung der Sozialhilfesätze Ende 2017 nicht die Einbußen durch höhere indirekte Steuern beispielsweise für Treibstoff und Tabakwaren kompensieren konnte. Im Ergebnis wird für die fünf Prozent der ärmsten Franzosen das laufende Jahr einen Kaufkraftverlust von durchschnittlich 0,6 Prozent mit sich bringen. Das sind pro Familie durchschnittlich 60 Euro weniger in der Haushaltskasse, während es bei den fünf Prozent der reichsten Haushalte 1,6 Prozent oder 1730 Euro mehr sind.

Eine leichte Verbesserung ergibt sich erst Ende 2018 durch eine neue Abstufung der Steuerklassen und durch eine Erhöhung der staatlichen Beschäftigungsprämie für besonders niedrige Einkommen. Doch von den sechs Milliarden Euro, die in den nächsten zwei Jahren durch die Reform an die Haushalte zurückfließen, profitieren Arme und Reiche höchst unterschiedlich. Dadurch erhöht sich bis Ende 2019 das Familieneinkommen für die fünf Prozent der einkommensschwächsten Haushalte um 0,2 Prozent, für die fünf Prozent der reichsten dagegen um 2,2 Prozent.

Für die Mittelschicht verändert sich relativ wenig. Hier werden die leichten Erhöhungen indirekter Steuern und der Sondersteuer zur Sanierung der Sozialversicherung für Renten über 1200 Euro netto kompensiert durch eine pauschale Reduzierung der Kommunalsteuer um 30 Prozent und durch Steuerbefreiung für die Gehälter von Haushaltshilfen.

»Um die EU-Vorschrift von nicht mehr als drei Prozent Neuverschuldung einzuhalten, hatten die Maßnahmen zur Kapitalbesteuerung Vorrang, weil ihr Effekt erst über längere Zeit wirksam wird«, erläutert der Wirtschaftswissenschaftler Jean Pisani-Ferry von der Pariser Politikhochschule Science Po, der Macrons Wirtschaftsprogramm im Präsidentschaftswahlkampf mit verfasst hat und damit Vordenker für die gegenwärtige Wirtschafts- und Steuerpolitik ist. Entsprechend kommen die Maßnahmen, die leichte Verbesserungen für die sozial schwachen Franzosen bringen sollen, erst danach. »Das ist eine politisch riskante, aber wirtschaftspolitisch richtige Entscheidung«, ist Pisani-Ferry überzeugt.

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