• Berlin
  • Mieterhöhung für Kreuzberger "Privatclub"

Kein Soundcheck unter dieser Nummer

Dem Privatclub in der Kreuzberger Skalitzer Straße droht eine saftige Mieterhöhung

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

«Clubs sind die Opfer ihres eigenen Erfolgs», sagt Lutz Leichsenring am Montagvormittag im Privatclub. Leichsenring, Sprecher der Clubcommission, einem Zusammenschluss von Partyveranstaltern, hatte gemeinsam mit Katja Lucker vom Musicboard und dem Betreiber des Privatclubs Norbert Jackschenties zur Pressekonferenz geladen. Es geht um eine Mieterhöhung, um Verdrängung und um die bedrohte Berliner Clubszene.

Jackschenties gründete den Privatclub 1998. Bis 2013 war er unter der Markthalle Neun in Kreuzberg untergebracht. Die Räume waren ihm auf Dauer zu klein und zu niedrig. Er suchte einen geeigneteren Standort und fand die leerstehende ehemalige Packstation der Post in der Skalitzer Straße, ebenfalls in Kreuzberg. «Das war eine Ruine. Hier gab es nichts, nicht einmal einen Wasseranschluss. Mein Architekt sagte damals zu mir: Bau lieber ein Haus», sagt der Clubbetreiber. Doch ihm gefiel der Standort. «Ich habe einen Kredit aufgenommen und alles selbst gebaut.» In zwei Jahren ist der Kredit abbezahlt. Der Mietvertrag gilt bis 2023. Für Jackschenties war die Entscheidung die richtige: «Ich bin hier sehr glücklich, das ist mein Baby.»

Im Frühjahr 2016 kaufte Skalimmo das Gebäude. Die Firma gehört mindestens zwei der Samwer-Brüder, die die Start-up-Schmiede Rocket Internet gegründet haben. Unter anderem halten sie einen Teil der Zalando-Aktien. Der Mietvertrag wurde Jackschenties zufolge zu gleichen Konditionen übernommen: Elf Euro kalt pro Quadratmeter, Laufzeit bis 2023. Doch bereits ein halbes Jahr später sei er zum Gespräch gebeten worden. Dabei sei dem Clubbetreiber mitgeteilt worden, dass die Miete verdoppelt werden solle. «Das kann ich nicht», sagt Jackschenties. Er lasse junge Bands auftreten, die noch nicht sehr bekannt seien, gebe einer Musikschule den Raum zum Üben.

Wenn er die Eintrittspreise verdoppele, blieben die Gäste weg. «Mir geht es nicht ums Geld, mir geht es ums Weitermachen. Ich kann davon leben, mehr nicht.» Zwei Tage nach dem Gespräch sei ein Anwaltsbrief gekommen: Der Club sei für die übrigen Mieter im Haus - mehrere Start-ups, die nach Jackschenties einzogen - zu laut, der Betreiber müsse die Konzerte auf zwei pro Woche herunterfahren. Unvorstellbar für Jackschenties. Auch auf den Soundcheck könne man nicht verzichten. Aus Sicht des Clubbetreibers hätte der Vermieter für entsprechenden Schallschutz sorgen müssen.

Das hat auch mit einer Richtlinie zu tun, die erlassen wurde, nachdem das Knaack im Prenzlauer Berg nach 58 Jahren wegen Lärms schließen musste. Nun müssen Investoren bei Neubauten nachweisen, dass es in den Wohnungen trotz nahe gelegener Clubs nicht allzu laut wird, sonst muss der Investor zum Beispiel mit Schallschutzfenstern nachbessern.

Viereinhalb Jahre läuft der Mietvertrag für den Privatclub noch. «Wir führen eine Diskussion, die eigentlich nicht geführt werden dürfte», sagt Leichsenring. Doch Jackschenties fühlt sich unter Druck gesetzt. Und auch andere Clubs wurden verdrängt oder müssen plötzlich viel mehr Miete zahlen. Es ist das alte Spiel: Auch die Investoren des Mediaspree-Gebiets warben schon mit dem Image von Clubs, die später verdrängt wurden.

Der Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) will an einem Runden Tisch eruieren, wie Gewerbe vor Verdrängung geschützt werden kann. Und weil auch die Senatoren für Kultur, Klaus Lederer (LINKE), und für Wirtschaft, Ramona Pop (Grüne), erkannt haben, dass es Spannungen zwischen Kreativwirtschaft und Kulturszene gibt, wandten sie sich Ende vergangener Woche in einem Brief an die Samwer-Brüder, um gemeinsam zu einer für beide Seiten verträglichen Lösung zu gelangen. Pop sagt dem «nd»: Es sind Orte wie der Privatclub, die den spezifischen Charakter und nicht zuletzt die internationale Attraktivität Berlins ausmachen und deren Erhalt uns deshalb ein großes Anliegen ist.« Lederer ergänzt: »Mir ist viel daran gelegen, hier zu einer verträglichen Lösung zu gelangen, die den Weiterbetrieb des Privatclubs sichert.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.